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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
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Ievgeniia Voloshchuk142 heben die sowjetischen Burlaki untragbare Lasten, trinken Wodka und singen ihre ewig traurigen Lieder, und in ihren Städten herrscht weiterhin eine Atmo- sphäre jahrhundertelangen Stillstands. Die unerschütterliche Rückständigkeit, der das exotische Lokalkolorit ein „nicht-europäisches“ Gepräge gibt, verblüfft den Fremden mit zahlreichen alltäglichen Seltsamkeiten, die der Autor sarkas- tisch als die besten touristischen Attraktionen dieser Gegend bezeichnet. Als einen Ort, der dem Reisenden eine besonders breite Palette von solchen „Wundern“ bietet, rühmt Roth die Stadt Astrachan. In deren Beschreibung spitzt Roth krasse Anachronismen zu, die den ideologischen Diskurs über den sich rapid modernisierenden bolschewistischen Staat subvertieren. Eines der mar- kantesten Beispiele dafür ist die Darstellung einer Droschkenfahrt  – eine kleine Szene, in der solche Anachronismen durch sorgfältig gewählte Assoziationen und Details zu den prägnanten „barbarischen“ Elementen umgedeutet werden: Die Droschkensitze sind schmal, ohne Rückenlehne, lebensgefährlich, ohne Dach, die Pferde tragen lange weiße Ku-Klux-Klan-Gewänder gegen den Staub  – als gingen sie zum Turniere. Die Kutscher verstehen sehr wenig Russisch und hassen das Pflaster. Sie fahren durch die sandigen Straßen, weil ja das Pferd bekleidet ist. Der Fahrgast, der in einem dunklen Anzug abfährt, kommt in einem silbernen an. Wer einen weißen ange- zogen hatte, trägt am Ziel einen taubengrauen. Die für Astrachan ausgerüstet sind, tra- gen wie die Pferde lange Staubmäntel mit Kapuzen. In der spärlich beleuchteten Nacht sieht man, wie Gespenster von gespenstischen Pferden gefahren werden[.] [RW  610] Eine Anspielung auf das „unzivilisierte“, „halbbarbarische“ Russland ist wohl auch die satirische Beschreibung der „Insektenwelt“ von Astrachan, die die impliziten, für Roths Prosa charakteristischen Parallelen zwischen Fliegen und vorrevolutionären russischen Verhältnissen21 miteinbezieht: Die Fliegen, nicht die Fische, machen achtundneunzig Prozent der Astrachaner Fauna aus […][.] In dicken schwarzen Schwärmen lagern sie auf Speisen, Zucker, Fenster- scheiben, Porzellantellern, Überresten, auf Sträuchern und Bäumen, auf Kotlachen harte monotone Arbeit veranschaulicht die unmenschliche Ausbeutung der sozialen Unterschichten im russischen Zarenreich und spricht ein vernichtendes Urteil über dessen Gesellschaftsordnung aus. 21 Zu diesen Parallelen vgl. Ольга Козонкова:  Образ Росії в оповідній творчості Йозефа Рота [Olga Kosonkowa:  Das Bild Russlands im erzählerischen Werk von Joseph Roth]. In:  Факт як експеримент. Механізми фікціоналізації дійності у творах Йозефа Рота / за ред. Тимофія Гавриліва [Tymofiy Havryliv (Hg.):  Fakt als Experiment. Die Mechanismen der Wirklichkeitsfiktionalisierung im Werk von Joseph Roth]. Lwiw:  WNTL-Klasyka 2007 (= Студії австрійської літератури [Stu- dien zur österreichischen Literatur], Bd.  3), S.  218–244.
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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Title
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Subtitle
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Author
Primus-Heinz Kucher
Editor
Rebecca Unterberger
Date
2019
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-631-78199-9
Size
14.8 x 21.0 cm
Pages
466
Category
Kunst und Kultur
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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹