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Katja
Plachov156
Zweifelsohne war Geist und Gesicht aufwendig gestaltet: Hochglanzfotografien
und teilweise mehrfarbige Illustrationen machten das Werk zu einem teuren
Produkt.23 Das Absatzgebiet des Verlags beschränkte sich dabei freilich nicht auf
den österreichischen Markt, sondern berücksichtigte auch das deutsche Lese-
publikum. Verlagsgründer Heinrich Studer konnte sich daher trotz seiner poli-
tisch konservativen Haltung24 nicht der konjunkturellen Nachfrage zum Thema
Sowjetunion verschließen:
„Das Werk fügte sich damals gut in mein Verlagspro-
gramm, das sich besonders in künstlerischer Hinsicht gegen die nivellierenden
und die Menschen in ihrer Persönlichkeit entkleidenden Tendenzen der Kunst-
und Staatspolitik Moskaus richtete“.25 Die Aussage des Verlagsdirektors verdeut-
licht die diskursive Verortung des Werks, die sich, wie noch zu zeigen ist, auch
rhetorisch niederschlägt.
2 Deutungsmuster und Argumentationsstrategien
Im Folgenden ist zu untersuchen, welche thematischen Aspekte Fülöp-Miller
selektiert, wie er diese aufbereitet und gestaltet hat. Sein Werk ist 1926
– nahezu
ein Jahrzehnt nach der Oktoberrevolution – in einer Landschaft bestehender
Deutungsmuster erschienen:
In Deutschland und in Österreich wird die Sowjet-
union zum einen als revolutionäre politische Gefahr, zum anderen als „Land der
Zukunft“, das Europa spirituell erneuern könne, wahrgenommen.26 Wie Fülöp-
Miller sein Werk zu diesen Diskursen positioniert, wird nachfolgend anhand der
Einleitung zu Geist und Gesicht, des ersten Kapitels mit dem Titel „Der kollek-
tive Mensch“, sowie anhand einer der insgesamt drei Groß-„Abteilungen“ in den
Blick genommen. Nicht geleistet werden kann im Rahmen dieses Beitrags eine
Tiefenanalyse von Fülöp-Millers Kompendium aufgrund dessen Umfänglich-
keit, die anhand des hier abschließend wiedergegebenen Inhaltsverzeichnisses
auch deutlich wird.
23 Der Preis des Werks lag bei dreißig Reichsmark (vgl. Heinrich Studer an Fülöp-Miller
(12.12.1929), Amalthea-Verlagsarchiv).
24 Vgl. Hall, Verlagsgeschichte, S. 13–15.
25 Heinrich Studer an Fülöp-Miller (12.12.1929), Amalthea-Verlagsarchiv.
26 Vgl. Iver B. Neumann: Russland positionieren: Nördlich oder östlich der Mitte?
In: Karl Kaser (Hg.): Europa und die Grenzen im Kopf. Klagenfurt: Wieser 2003,
S. 35–64, zit. S. 45f.
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Title
- Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
- Subtitle
- Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Author
- Primus-Heinz Kucher
- Editor
- Rebecca Unterberger
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-631-78199-9
- Size
- 14.8 x 21.0 cm
- Pages
- 466
- Category
- Kunst und Kultur