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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
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Kurt Ifkovits194 betrachten. 1927 schien dem allem Neuen Aufgeschlossenen der russische beziehungsweise sowjetische Kulturkreis (wie eben auch der amerikanische) als zu erwägender Gegenentwurf zu einer, wie er damals schrieb, „phantasiemüden, mechanisierten, entgöttlichten, durch Politik und Krieg hindurchgegangenen und beim nüchternsten Zweckmäßigkeits- und Geldglauben befriedigt ange- langten Welt“ zu sein.50 Gregor gehörte einer Generation zutiefst verunsicher- ter Intellektueller an, die die europäische Kultur, insbesondere das Theater, zum damaligen Zeitpunkt in einer existentiellen Krise sah. Im russischen Theater nahm Gregor dagegen Entwicklungen und Ergebnisse wahr, die ihn beeindruck- ten und von denen er meinte, sie könnten Europa befruchten, ja vielleicht sogar aus seiner Krise retten. Gregors Interesse war freilich kein politisches, wie ihm  – sowohl während der Zeit des Nationalsozialismus als auch in der unmittelbaren Nachkriegszeit  – vorgeworfen wurde, sondern ein ästhetisches. Insofern war Gregor Symptom seiner Zeit und in seiner offiziellen wie wissenschaftlichen Position auch Vertreter einer spezifischen bürgerlichen Schicht. Dabei liest sich Gregors Erklärungsversuch des russischen Theaters in einer gewissen Weise als totalitärer:  Seine Interpretation des russischen Theaters als Ausformungen des Symbolismus muss gewisse Erscheinungen ignorieren. Kühn erscheint auch die These, im russischen Theater laufen sämtliche säku- lare Stil-Epochen des europäischen Theaters synchron. Wenn Gregor dem rus- sische Theater zugesteht, sich auf Jahrhunderte verteilende Erscheinungen des europäischen Theaters in ihrer Gesamtheit nebeneinander im engsten zeitli- chen und örtlichen Rahmen darstellen zu können (Tairov, das Barocktheater, Mejerchol’d, die antike Bühne, das archaische Massenfest im proletarischen Mas- sentheater), so ist damit ein weiteres Kennzeichen von Gregors Konstruktion des russischen Theaters angesprochen:  Die Folie, vor der das russische Theater gehalten wird, bleibt stets eine ‚westliche‘. Selbst wenn es als Gegenentwurf zum europäischen dargestellt wird, bleibt der Maßstab letztlich ein europäischer, ein ‚westlicher‘, wenn auch ex negativo.51 Obgleich Gregor Europa, Russland und Amerika kulturell strikt voneinander trennt, bilden die beiden letzteren, trotz aller Bipolarität, eine gewisse funktionale Einheit, insofern nämlich, als sie einen befruchtenden Gegenentwurf zu Europa bilden. Russland begreift Gregor als außerhalb Europas liegenden Raum mit genuin „russischem“ Formenmaterial 50 Ders.:  Tilly Losch. In:  Der Schünemann-Monat, H.  12/1927, S.  1198–1202, zit. S.  1198. 51 Wie sehr Gregor die westeuropäische Theatertradition als Maßstab gilt, zeigt u.a. auch sein Vergleich Dobužinskijs mit Alfred Roller (vgl. Joseph Gregor an den General- direktor der Österreichischen Nationalbibliothek, Josef Bick, 25.  Februar  1927, ÖNB, GD/AVA 1927).
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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Title
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Subtitle
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Author
Primus-Heinz Kucher
Editor
Rebecca Unterberger
Date
2019
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-631-78199-9
Size
14.8 x 21.0 cm
Pages
466
Category
Kunst und Kultur
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