Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Kunst und Kultur
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Page - 250 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 250 - in Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938

Image of the Page - 250 -

Image of the Page - 250 - in Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938

Text of the Page - 250 -

Marco Hoffmann250 nicht mehr wirksam, stattdessen geht die einzelne Existenz in der „Kollektivität als aktuell-moderne[r] Form von Humanität“41 auf. Sehr deutlich lässt sich diese Feststellung mit den proletarischen Konzepten des Futurismus in Einklang brin- gen:  Der schon oben genannte Gastev ging bezüglich seines Werkes und seiner Vorstellungen vom neuen Menschen von einem „mechanisierten Kollektivis- mus“ aus, in dem sich Individualität gänzlich auflöse.42 Dass die Maschinen dem in der Oper gegenwärtigen Menschen aber nicht nur faktisch, sondern auch ideologisch eine Lebensgrundlage bieten,43 ist an sämt- lichen Chorpassagen des Volkes im Libretto deutlich abzulesen. Am Anfang des zweiten Aktes etwa findet sich die einzige Szene, in der die Maschinenhalle bei Tag und somit bei vollem Arbeitseinsatz zu sehen ist. Der Chor der Arbeiterin- nen singt:  „Reichet eine Hand der andern. Arbeitsbandes endlos Wandern fließt in uns durch uns zum Ziel. Keine Mühe ist zu viel.“44 Neben der eigenen Wert- schätzung durch das Arbeiten im Kollektiv klingt hier, wie an anderen Stellen, die Vitalität des Proletariats an:  Das Leben schlechthin wird von den dampfen- den Maschinen rhythmisiert und erfahrbar gemacht. Analog dazu bildet Brand aus musikalischer Perspektive in dieser Szene eine sich bis in den Wahnsinn stei- gernde Maschinenmusik hervor, die Futuristisches mit sinfonischer Raffinesse in die Sphäre des österreichischen Musiktheaters überführt. Ein Vergleich mit russischen Vorbildern lässt sich insbesondere zu Aleksandr Mosolovs bereits erwähntem, dreiminütigem Orchestersatz Zavod aus dem Jahr 1926 ziehen, der heute auch als Eisengießerei bekannt ist.45 Ursprünglich im musiktheatralischen Kontext innerhalb des nicht realisierten Balletts Stal (dt. Stahl) konzipiert, ent- wickelte das Fragment nach der Uraufführung46 schnell eine breite und eigendy- namische Rezeption. Nicht nur in Russland, sondern auch in Berlin, Paris, Rom, Prag, Madrid, New  York und  – für den Bezug zu Brand wichtig  – Wien wurde Zur Jugend“:  Franz Schreker und seine Schüler in Berlin. Hildesheim–Zürich– New  York:  Olms 2009, S.  63–73, zit. S.  70. 41 Ebd. 42 Vgl. Mende, Musik und Kunst, S.  81. 43 Vgl. ebd. 44 Vgl. Partitur, S.  8f. (T. 36); später singt der gesamte Chor diese Zeile noch einmal. 45 Trotz des heute gebräuchlichen Namens bedeutet der von Mosolov gesetzte Titel Zavod. Muzyka mašin in Übersetzung eigentlich Die Fabrik. Musik der Maschinen. 46 1927 wurde Zavod zum Anlass des zehnten Jahrestages der Oktoberrevolution im Moskauer Säulensaal im Komplex einer Orchestersuite unter Konstantin Saradžev aufgeführt (vgl. Inna Barsova:  Das Frühwerk von Aleksandr Mosolov. In:  Metzger/ Riehn, Skrjabin und die Skrjabinisten, S.  122–167, hier S.  160).
back to the  book Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938"
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Title
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Subtitle
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Author
Primus-Heinz Kucher
Editor
Rebecca Unterberger
Date
2019
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-631-78199-9
Size
14.8 x 21.0 cm
Pages
466
Category
Kunst und Kultur
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹