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Brands Oper Maschinist Hopkins und die Avantgarde 255
dient der musikalischen Milieudarstellung von Bondy’s Bar. Die „Schenke übels-
ter Sorte“63 wird in der Oper eingeführt, als Hopkins Nell mit den Worten:
„Nur
Eisen liebe ich. Nur der Maschine diene ich. In ihr wirkt der schaffende Geist,
dem ich folgen muß“64 verstoßen hat und sie als Dirne ins Arbeitermilieu ein-
kehrt; zwischen den beiden Szenen vermittelt ein längeres Orchesterzwischen-
spiel einen Zeitsprung.
M. Brand, Maschinist Hopkins, Akt 3, X. Bild, T. 201 ff. (Elektrisches Pianino)
Das Pianino „hämmert unbarmherzig einen Foxtrott“, einen Modetanz der
Zeit65 und eine der Jazz-Anleihen, die Brand in der Oper anstellt. Brand bedient
sich des Jazz-Idioms als einer der wesentlichen Musikschichten im Stück. Das
Geschehen in Bondy’s Bar, das nicht nur Nells Schicksal, sondern auch das Pro-
letariat als soziales Milieu darstellt, kann als Schlüsselszene der Oper betrachtet
werden. Zwei Männer unterhalten sich vor dem Klangteppich des Pianinos,66
das auch im realen Leben ein Hintergrundmusikinstrument darstellen würde,
über die Frauen in der Bar sowie über Nell und bahnen damit die Offenbarung
von Nells Schicksal gegenüber Bill, der sich ebenso in der Bar befindet, an. Der
Konflikt mündet in einen Spottgesang der Arbeiter, der „wie ein Gassenhauer“67
erklingt. Rauer und ungezügelter könnte die Welt der Arbeiter kaum dargestellt
63 Ebd., S.
176.
64 Ebd., S.
150f.
65 Westliche Adaptionen des Foxtrotts sind schon bei Hindemith oder Stravinskij zu
finden (vgl. John, Jonny und Jazz, S. 105).
66 Interessanterweise wird der Part der beiden Männer weder gesungen, noch durch
annähernde Tonhöhen festgelegt (wie in den Sprechchören), sondern nur gesprochen.
Dies erinnert vage an Schönbergs späteren Einsatz der Sprech- und Singstimme in
Moses und Aron, in dem Moses spricht, während Aron singt:
Die beiden Brüder ver-
körpern somit zwei verschiedene Sphären, die des Intellektuellen und die des Sinn-
lichen. Ganz ähnlich könnte man Brands exponierten Einsatz der Sprechstimme als
Sphärenversinnbildlichung der rauhen Proletarierwelt betrachten.
67 Vgl. Partitur, S. 196.
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Title
- Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
- Subtitle
- Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Author
- Primus-Heinz Kucher
- Editor
- Rebecca Unterberger
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-631-78199-9
- Size
- 14.8 x 21.0 cm
- Pages
- 466
- Category
- Kunst und Kultur