Page - 266 - in Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
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Olesya
Bobrik266
diese Agentur Berühmtheit dank ihrer Teilhabe an Festivals für zeitgenössische
Musik wie zum Beispiel 1922 an den Internationalen Kammerkonzerten in Salz-
burg, die den Grundstein für die Gründung der Internationalen Gesellschaft für
Neue Musik (IGNM) legten. So erregte russische Musik bereits Anfang 1924 die
Aufmerksamkeit der Konzertorganisatoren der IGNM, als durch deren Zutun
ein Konzert mit Werken von Mjaskovskij, Prokof’ev, Skrjabin und Stravinskij in
Wien zustande kam.12 Ein halbes Jahr später, am 6.
August
1924, erklang auf dem
IGNM-Festival im Großen Saal des Mozarteums in Salzburg der Gesangszyklus
Krug nerazmykaemyj (dt. Der unentrinnbare Kreis) op. 8 des sowjetischen Kom-
ponisten Aleksandr Šenšin zu Versen Aleksandr Bloks. Und im November 1924
fand die erste Veranstaltung
– zwei Kammerkonzerte sowjetischer Komponisten
im Kleinen Konzerthaus-Saal in Wien
– statt, die speziell der Propagierung sow-
jetischer Musik gewidmet war. Als Organisator von österreichischer Seite trat
die Agentur Heller auf, die im Oktober 1925 in Wien auch Gastspiele des über-
ragenden sowjetischen Pianisten Samuil Feinberg organisieren sollte.13
Auch die UE agierte somit im Geiste der Zeit. Mitte der 1920er Jahre hatte
der Verlag nicht nur mit vielen sowjetischen Musikern, die Österreich besucht
hatten, Kontakt aufgenommen, sondern auch direkte Beziehungen zu diploma-
tischen Missionen sowjetischer Provenienz in Wien angebahnt. Über viele Jahre
hinweg pflegte Abram Dzimitrowsky, ein Mitarbeiter der UE, Kontakte zu sow-
jetischen Diplomaten. Er informierte die sowjetische Vertretung (Polpredstvo)
ständig über die Tätigkeiten des Verlagshauses, und in der persönlichen Kor-
respondenz nannte er sie „unsere Polpredstvo“ („unsere bevollmächtigte Ver-
tretung“).14 Dzimitrovskij, ein gebürtiger Litauer, der die russische und deutsche
Sprache beherrschte, hatte in Wien studiert und danach in Kiev als Leiter des
Synagogenchors gewirkt,15 bevor er zu Beginn des Jahres 1923 auf Einladung
12 Vgl. P. Pisk. Za rubežom. Venskij muzykal’nyj sezon 1923–1924 g. [Korresponden-
cija iz Veny]. [Perevod Übersetzung B.
Jurgenson(a)] // Muzykal’naja kul’tura. 1923.
Nr. 1. S. 83.
13 Archivdokumente, die diese Tatsache belegen, befinden sich in Moskau (VМОМК
benannt nach Michail Glinka. Bestand 146. Nr.
6862, 3538).
14 Brief von Abram Dzimitrowsky an Nikolaj Mjaskovskij (4.10.1932); in:
RGALI [Ross-
ijskij gosudarstvennij archiv literatury i iskusstva] Moskau. Bestand 2040. Verzeichnis
2. Aktenstück 141. Blatt 63 (Umschlag).
15 Vgl. Šemeš M.
M.A. Mil’ner. Kratkij biografičeskij očerk // Iz istorii evrejskoj muzyki
v Rossii. Materialy meždunarodnoj naučnoj konferencii „Evrejskaja professional’naja
muzyka v Rossii. Stanovlenie i razvitie“. (Vypusk 2.
Sankt-Peterburg:
Evrejskij obščest-
vennij centr Peterburga, PII, 2006. S. 18–19). Im Jahr 1932 dirigierte Dzimitrovskij
einen Chor von Mitarbeitern der sowjetischen diplomatischen Mission anlässlich
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Title
- Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
- Subtitle
- Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Author
- Primus-Heinz Kucher
- Editor
- Rebecca Unterberger
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-631-78199-9
- Size
- 14.8 x 21.0 cm
- Pages
- 466
- Category
- Kunst und Kultur