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Michael Omasta/Brigitte Mayr
„Das sollen Würmer sein? Lächerlich!“
Vom „stummen Panzerkreuzer“ (1925) zum
„tönenden Potemkin“ (1930)
Abstract: The accentuated montage technique of Eisenstein’s Potemkin-film and the Vi-
ennese contribution to it under the form of the soundtrack composed by Edmund Meisl
is placed in the center of our contribution. Possibilities to conjugate music and film in the
silent as well as in the sound version of 1925 and 1930 and the reception of Eisenstein’s
movies will be discussed.
Das Erscheinen von Panzerkreuzer Potemkin auf der Kinoleinwand war ein Kul-
turschock, der sich
– nach dem anfänglich mäßigen Erfolg des Films in der Sow-
jetunion
– von Deutschland aus in alle Welt fortsetzte. Sein Regisseur, der damals
28-jährige Sergej M. Ėjzenštejn, vertrat die Auffassung, dass der Kinematograf
„vor allem ein Traktor“ sei, „der die Psyche des Zuschauers mit der geforderten
Klassenzielsetzung umpflügt“,1 und begründete mit diesem Werk, das zudem die
Filmästhetik auf ein neues Niveau hob, das Genre des Revolutionsfilms.
Selbst versierte Filmpublizisten wie Kurt Pinthus streckten die Waffen:
„Ange-
sichts dieses völlig ungewöhnlichen, neuartigen und grandiosen Films wird
jedes Räuspern der Kritik durch den Schrei der Bewunderung verdrängt.“2 Auch
bekannte Schriftsteller wie der Österreicher Oskar Maurus Fontana stimmten in
den Chor der Bewunderer ein:
[E]
s ist das Größte, was der Film bisher geschaffen
– seine Bestätigung, seine Rechtferti-
gung. Aber es ist mehr als eine Filmleistung. Hier ist das, was wir von der Kunst unserer
Zeit fordern:
aufzurufen, aus schöpferischer Umformung zu kommen, Marschlied kom-
mender Menschheit entgegen zu sein – hier ist das erfüllt.3
1 Sergej M. Eisenstein:
Zur Frage eines materialistischen Zugangs zur Form. In:
Kino-
zurnal ARK, Nr. 4–5/1925 [dt. Fassung: ders.: Schriften 1/Streik. Hg. von Hans-Joa-
chim Schlegel. München: Carl Hanser 1974, S. 235].
2 Kurt Pinthus: Panzerkreuzer Potemkin. In: Das Tage-Buch, Nr. 19/1926, S. 653
(recte 753).
3 Oskar Maurus Fontana: Panzerkreuzer „Potemkin“. In: Arbeiter-Zeitung
(22.5.1926), S. 7.
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Title
- Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
- Subtitle
- Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Author
- Primus-Heinz Kucher
- Editor
- Rebecca Unterberger
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-631-78199-9
- Size
- 14.8 x 21.0 cm
- Pages
- 466
- Category
- Kunst und Kultur