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Evelyne
Polt-Heinzl304
einer Erklärung gegen „gewisse conservative Angriffe gegen Kunst Ankäufe etc.
Museum […]. Ich lehnte, als incompetent, ab.“11
„Nachmittag bei Roden 300 Zeichnungen von Schatz gesehen u.
mehrere Bil-
der, die alle einen ungeheuren Fleiß des Künstlers u. ein liebenswürdiges Ein-
leben des Käufers bedeuten“,12 notierte Erica Tietze-Conrat am 8. Jänner 1924
in ihrem Tagebuch. Darin verbirgt sich ein weiterer Grund für kunsthistorische
Marginalisierung. Viele Förderer und Sammler der Zeit waren Angehörige des
jüdischen Bildungsbürgertums und mussten 1938 fliehen, ihre Sammlungen
wurden arisiert und zerstreut. Der Kunstkritiker Max Roden, dem 1938 die
Flucht in die USA gelang, konnte etwa 1.500 Blätter seiner Graphiksammlung
ins Exil retten. „Die Mehrzahl dieser Blätter stammt aus der Hand des österrei-
chischen Künstlers Otto Rudolf Schatz […], von dem Roden mehr Arbeiten als
von allen anderen Künstlern besaß.“13 1926 bis 1928 fertigte Schatz auch aqua-
rellierte Holzschnitte zu den als Privatdrucke produzierten Kinderbüchern Reise
um die Welt und Zirkus nach Texten von Max Roden.
2 Wie Schatz allmählich ins Bild rückt
„Im Zuge einer allgemeinen Rückbesinnung auf traditionelle Formen schloß
sich auch Österreich der Neuen Sachlichkeit an, bezog aber eine wesentlich
unpolitischere Haltung als etwa Deutschland.“14 In diesem Urteil aus dem Jahr
1994 ist Schatz eindeutig ebenso wenig mitgedacht wie in der zitierten Bestands-
aufnahme Wieland Schmieds aus dem Jahr 1983, und in beiden Epochenpor-
träts wird eine zentrale Strömung der österreichischen Avantgarde der 1920er
Jahre wie der Kinetismus nicht einmal erwähnt.
Was Schatz betrifft, ist es das Verdienst des österreichischen Psychotherapeu-
ten und Kunstsammlers Wilfried Daim, immer wieder auf dessen Bedeutung
hingewiesen zu haben. Er erwarb in den 1960er Jahren große Teile aus dem
Bestand der Neuen Galerie von Otto Kallir-Nirenstein und 1973 einen großen
11 Arthur Schnitzler: Tagebuch 1923–1926. Hg. v. Peter Michael Braunwarth, Susanne
Pertlik und Reinhard Urbach. Wien: Akademie der Wissenschaften 1995, S. 150.
12 Erica Tietze-Conrat:
Tagebücher. Bd.
1:
Der Wiener Vasari (1923–1926). Hg. v.
Alex-
andra Caruso, Einl. v.
Edward Timms u.
David Rosand. Wien–Köln–Weimar:
Böhlau
2015, S.
190.
13 Sophie Lillie:
Was einmal war. Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen Wiens.
Wien: Czernin 2003 (= Bibliothek des Raubes, Bd. 8), S. 989; vgl. dazu: Wilfried
Daim: Meine Kunstabenteuer. Geschichte einer Sammlung. Wien: Holzhausen
1997, S.
88.
14 Pappernigg, Absperrung und Einsperrung, S.
111.
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Title
- Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
- Subtitle
- Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Author
- Primus-Heinz Kucher
- Editor
- Rebecca Unterberger
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-631-78199-9
- Size
- 14.8 x 21.0 cm
- Pages
- 466
- Category
- Kunst und Kultur