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Evelyne
Polt-Heinzl310
eindringlich. Am besten gefällt mir von den Kompositionen die züchtigende Frau, hier
greift das Temperament auch in der Landschaft durch; ein ornamentales Pathos wie
Baldung Grien.34
Das ist eine bemerkenswerte Einschätzung dieses Blattes, die am Sujet
– drei Jahre
vor Max Ernsts Die Jungfrau züchtigt den Jesusknaben vor drei Zeugen (1926) –
keinerlei Anstoß nimmt. Im selben Jahr war Schatz zum ersten Mal Gast bei der
Frühjahrsausstellung des Künstlerbundes Hagen (43. Ausstellung), dem er 1928
beitreten wird. Und 1923 erhielt Schatz auch einen Vertrag des Galeristen Otto
Kallir-Nirenstein, der ihn fortan großzügig unterstützte. 1924 finanzierte er ihm
zum Beispiel eine Reise nach Italien. Im selben Jahr war Schatz erstmals bei einer
Kollektivausstellung in Otto Nirensteins Neuer Galerie in der Grünangergasse 1
vertreten, eine weitere folgte 1925 gemeinsam mit Anton Faistauer, Franz Probst
und Marianne Seeland.
4 Schatz und die österreichische Arbeiterbewegung
„Die meisten Menschen […] halten mich nur für einen Holzschneider“,35 schrieb
Schatz 1949 in Heft sechs der Zeitschrift Der schöne Brunnen, das zwei seiner
expressiven Kaprun-Aquarelle enthält. Doch Schatz hat viele künstlerische
Facetten und auch eine bemerkenswerte Bandbreite nicht nur bei seinen – laut
Selbstaussage – etwa 1.500 Holzschnitten. „Vom Expressionismus kommend,
entwickelte sich Schatz zum bedeutenden Vertreter der Neuen Sachlichkeit in
Österreich.“36 Eine Vielzahl seiner Holzschnitte aus den Jahren 1925 bis 1930
aber entstand im Umfeld der österreichischen Sozialdemokratie.
In seinem Notizheft wies Schatz 1920 den Vorschlag, „Bilder des Elends“ zu
machen, noch als bourgeoise Zumutung von sich. Er kenne Armut und Arbeits-
leid aus eigener Erfahrung, „viel besser […] schön gruselig + und recht gut“
sollen die Bilder sein, „dann bekommst Geld dass du zwei Monate lang leben
kannst + aber Arbeit hast die dauert auf ein Jahr + aber schön müssen die Dinge
sein + x x x Mir ist alles Blutwurst ich arbeite“.37
Um 1925 lernte Schatz eine Reihe von Personen kennen, die für seinen wei-
teren Weg entscheidend wurden, indem sie ihm ein neues künstlerisches Thema
34 Erica Tietze-Conrat: Vorwort. In: Erica Tietze-Conrat (Hg.): O. R. Schatz. 12 Holz-
schnitte. Leipzig–Wien: Thyrsos Verlag 1923, unpag., 2 Seiten, S. [2]
.
35 Otto Rudolf Schatz: Ein Künstler erzählt von sich selbst. In: Der schöne Brunnen,
H. 6/1949, S. 352.
36 Tietze-Conrat, Tagebücher, S. 304.
37 Schatz, Philosophische Kurzbetrachtungen, S. 19.
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Title
- Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
- Subtitle
- Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Author
- Primus-Heinz Kucher
- Editor
- Rebecca Unterberger
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-631-78199-9
- Size
- 14.8 x 21.0 cm
- Pages
- 466
- Category
- Kunst und Kultur