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Zur Einleitung : drei Institutionen blicken auf ihren Gründer 27
aufgenommen). Die »Fachschulen«, also der Unterricht der Hauptgegenstände, waren
ab 16 Jahren zugänglich. Hinzu kamen Vorlesungen durch verschiedene »Docenten«
über »Perspective, Projections- und Schattenlehre«, über Stillehre, Chemie, Kunstge-
schichte (durch Albert Ilg) und Anatomie.33 Als der Unterricht am 15. Oktober 1868,
bereits ein Jahr nach dem kaiserlichen Gründungsdekret, begann, waren 78
Studierende
eingeschrieben, davon sieben weibliche. Dass, anders als an der Akademie der bildenden
Künste, von Anfang an Schülerinnen zum Unterricht zugelassen waren, musste Eitel-
berger gegenüber dem Ministerium begründen : »Die Aufnahme derselben […] schien
dem Aufsichtsrathe gegenüber den heutigen Anschauungen und den modernen Bestre-
bungen zur Verbesserung des Frauenloses eine Pflicht zu sein.«34 Der vorliegende Band
vermag diese Bestrebungen tiefer zu beleuchten : Eitelbergers Ehefrau Jeanette (geb.
Lott) war Mitbegründerin des Wiener Frauenerwerbvereins, der Verdienstmöglichkeiten
für Frauen förderte, darunter eine eigene Zeichenschule, eine Nähstube mit Basar, einen
Handschuhnähkurs und Handelskurse für Frauen.35 Setzt man dieses Engagement in
den Kontext von Eitelbergers politisch-ökonomische Überlegungen, so wird deutlich,
dass diese in der Gründung der Kunstgewerbeschule vielleicht klarer als in jeder ande-
ren von ihm gegründeten Institution ihren Ausdruck fanden.
Die erste Unterrichtsstätte der Kunstgewerbeschule befand sich im Palais Brenner in
der Währingerstraße36, ehe sie 1872 in das Dachgeschoss des neuen Museums am Stu-
benring übersiedelte. Noch immer trägt ein Treppenaufgang im MAK die Bezeichnung
»Schulstiege«. 1877 konnte die Kunstgewerbeschule in ihr eigenes Haus an der Ring-
straße, direkt neben dem Museum, einziehen. Auch diesmal kam Heinrich von Ferstel
als Architekt zum Zug, und auch diesmal setzte Eitelberger den von ihm favorisierten
Stil der Renaissance durch. Die schlichte, aber würdevolle Fassade der neuen Kunstge-
werbeschule steht in deutlichem Kontrast zu Theophil von Hansens prunkvollem Neu-
bau der Akademie der bildenden Künste, der nur wenige Monate nach dem Neubau der
Kunstgewerbeschule eingeweiht wurde.
33 Das k. k. Österreichische Museum und die Kunstgewerbeschule. Festschrift bei Gelegenheit der
Weltausstellung in Wien, Mai 1873, Wien 1873, S.
71.
34 Eitelberger an das Ministerium für Cultus und Unterricht, zit. nach B. Reinhold, »Weibliche artis-
tische Arbeitskräfte« in spe – Frauenstudium an der frühen Kunstgewerbeschule. Ein unbequemer
Rückblick, in : G. Bast/A. Seipenbusch-Hufschmied/P. Werkner (Hg.), 150 Jahre Universi-
tät für angewandte Kunst Wien. Ästhetik der Veränderung, Berlin/Boston 2017, S. 158–163, hier
S.
159.
35 Vgl. den Beitrag von Ingeborg Schemper in diesem Band sowie S. Plakolm-Forsthuber, Künst-
lerinnen in Österreich 1897–1938. Malerei
– Plastik
– Architektur, Wien 1994, S.
32.
36 An der Stelle des ehemaligen barocken Palais Brenner, Ecke Währingerstraße/Schwarzspanier-
straße, befindet sich heute das Anatomische Institut.
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Title
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Subtitle
- Netzwerker der Kunstwelt
- Authors
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 562
- Category
- Biographien