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36 Werner Telesko
ihrer Rolle im gesellschaftlich-ökonomischen Wettkampf seiner Zeit beurteilte. Dies
hat sicher auch mit der zentralen Funktion des Ă–sterreichischen Museums fĂĽr Kunst und
Industrie in Wien zu tun, als dessen GrĂĽndungsdirektor er seit 1864 amtierte. In diesem
Sinn war kulturelle Produktion fĂĽr ihn eigentlich nichts anderes als eine Fortsetzung der
Auseinandersetzungen um die Hegemonie in Europa mit anderen Mitteln. Das Mu-
seum diente ihm nicht nur als Stätte der wissenschaftlichen Erforschung der gesammel-
ten und präsentierten Objekte, sondern ebenso als Basis für »friedliche Wettkämpfe«7
zwischen den Nationen Europas. So war Eitelberger hochzufrieden, als er registrierte,
dass anlässlich der Kunst- und Kunstgewerbeausstellung in München (1876) weniger die
deutschen Aussteller (und somit das von diesen vertretene neugegrĂĽndete Zweite Deut-
sche Kaiserreich) einen Erfolg einheimsten als vielmehr die Habsburgermonarchie, wo-
mit er sein ambitioniertes Museumsprogramm mehr als bestätigt ansehen konnte.8 Es
ist charakteristisch, dass er sich in diesem Zusammenhang in zeittypischer Weise auch
mit Fragen der unterschiedlichen Stilmodi der Renaissance beschäftigte – allerdings
nicht um ihrer selbst willen als vielmehr im Sinne ihrer kulturpolitischen Instrumenta-
lisierbarkeit. So waren er und seine Kollegen stolz darauf, fĂĽr das Kunstgewerbe einen
neuen österreichischen Renaissance-Mischstil mit dezidiert südlichen Elementen ent-
wickelt zu haben, der sich aus ihrer Sicht wohltuend vom schweren deutschen Renais-
sancemodus abheben sollte.9 Diese Frage der historistischen (Neu-)Interpretation des
Renaissancestils war aber keine Nebensächlichkeit, wie man aus heutiger Perspektive
vielleicht denken könnte, sondern ein zentrales Feld damaliger Diskussionen, was sich
damals in Bezug auf nationale Zuschreibungen konkret auch darin äußerte, dass die
Deutschen die Österreicher häufig als dekadent und kosmopolitisch ansahen, die Öster-
reicher die Deutschen hingegen als schwerfällige und uninspirierte Kopisten.10
Das einleitende Fallbeispiel vermag in instruktiver Weise den generellen Zugang
des Kunsthistorikers Eitelberger zu Fragen des kulturellen Erbes zu illustrieren : Immer
steht der komparatistische Gesichtspunkt im Vordergrund, und die kulturelle Dimen-
sion ist in seiner Denkweise nie von den weiten Sphären des Politischen und Ökono-
7 Vgl. D. Reynolds-Cordileone, The Austrian Museum for Art and Industry : Historicism and
National Identity in Vienna 1863–1900, in : Austrian Studies, 16, 2008 (From »Ausgleich« to »Jahr-
hundertwende« : Literature and Culture, 1867–1890), S.Â
123–141, hier S.Â
127.
8 Ebenda, S.Â
128.
9 Ebenda, S. 130. Alois Riegl meinte, in dieser zeittypischen Propagierung der Vorbildhaftigkeit der
Neorenaissance eine Fehlentwicklung zu erkennen, vgl. Vasold, Riegl (zit. Anm. 3), S. 59, S. 62,
S.Â
65, S.Â
68 f.
10 Reynolds-Cordileone, Austrian Museum (zit. Anm. 7), S. 133 ; grundsätzlich : M. Rampley,
Design Reform in the Habsburg Empire : Technology, Aesthetics and Ideology, in : Journal of De-
sign History, 23, 2010, H. 3, S.Â
247–264, hier S.Â
251.
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Title
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Subtitle
- Netzwerker der Kunstwelt
- Authors
- Julia RĂĽdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 562
- Category
- Biographien