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»Die grosse Einheit der Kunst« 75
Aus eben diesem Grunde integriert Ficker seine Vorlesungen über Ästhetik mit einem
Geschichtliche[n] Ueberblick der gesammten schönen Kunst nach ihren einzelnen Sphären
(1837). DennÂ
– so schreibt erÂ
– »[d]urch die Kunstgeschichte wird erst ein helleres Licht
über die Lehre vom Schönen verbreitet ; das Allgemeine wird erst durch das Besondere
klar und deutlich«15. Es geht Ficker darum, seinem Publikum eine »leichte Übersicht
ĂĽber ihre [i.Â
e. die Kunst] Gestaltung in den einzelnen Sphären, in einzelnen Zeitaltern
und bei einzelnen Nationen« zu vermitteln. Die Idee der Kunst fungiert in diesem Zu-
sammenhang als »der Haltepunkt des Ganzen«, allerdings betont Ficker, dass es sich
dabei nicht um eine absolute Idee handelt :
Diese [i. e. die Kunst] wird sich nach der jedesmal herrschenden religiösen Weltanschauung
anders gestalten ; aber auch bei gleicher religiöser Weltanschauung wird sie durch Nationali-
tät, Klima und andere Verhältnisse verschieden modificirt werden. Ohne klaren Hinblick auf
das höchste Schöne, wie es, seiner Einheit ungeachtet, sich unter verschiedenen Völkern und
Zeiten nothwendig in vielfachen Schattirungen zeigen muĂź, werden nur zu oft die Kunst-
schöpfungen aller Nationen und Jahrhunderte auf das Bunteste unter einander geworfen ; und
wenn ja eine ungefähre Scheidung gemacht wird, so ist mit einigen allgemeinen, und zuletzt
wenig bedeutenden Gegensätzen des Antiken und Modernen wenig gewonnen für die hellere
ästhetische Anschauung.16
Mit seiner bemerkenswerten Offenheit gegenĂĽber empirischer Kunstforschung und
historisch-geographischer Differenzierung wird der Wiener Ästhetikprofessor zu einem
wichtigen Ansprechpartner fĂĽr den jungen Eitelberger, und Ficker ist es auch, der Kug-
lers und Carl Schnaases weltkunstgeschichtliche Kompendien in den Oesterreichischen
Blättern für Literatur und Kunst eingehend bespricht und somit in den Wiener Kunst-
diskurs des Vormärz einführt.17 Doch trotz seines Interesses an einer universalhistori-
schen Sicht auf Kunst sollte man nicht ĂĽbersehen, dass Fickers Kunstbegriff noch stark
von Modellen des vorherigen JahrhundertsÂ
– insbesondere durch Johann Georg Sulzers
Allgemeine Theorie der Schönen Künste – geprägt ist :18 »[D]er echte Aesthetiker umfasse
15 F. Ficker, Geschichtlicher Ueberblick der gesammten schönen Kunst nach ihren einzelnen Sphä-
ren, Wien 1837, S.Â
III.
16 Ficker, Geschichtlicher Ueberblick (zit. Anm.Â
15), S.Â
III f.
17 F. Ficker, Handbuch der Kunstgeschichte von Franz Kugler, Stuttgart 1842, Geschichte der bil-
denden KĂĽnste von Carl Schnaase, DĂĽsseldorf. 1. und 2.Â
Bd. 1843, 3.Â
Bd. 1844, in : Oesterreichische
Blätter für Literatur und Kunst, 2, 1845, 83, 12.07.1845, S. 641–645 ; 84, 15.07.1845, S. 650–656 ;
85, 17.07.1845, S.Â
658–662.
18 P. O. Kristeller, The Modern System of the Arts : A Study in the History of Aesthetics (II), in :
Journal of the History of Ideas, 13, 1952, H. 1, S.Â
17–46, hier S.Â
38 f.
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Title
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Subtitle
- Netzwerker der Kunstwelt
- Authors
- Julia RĂĽdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 562
- Category
- Biographien