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86 Alexander Auf der Heyde
der Lokalverhält[ni]ß[e] zur K[un]st. Das schwäbische Element des Holzschneiders […]. Die
türkische Holzbauk[un]st. Die griech[ischen] u[nd] ägypt[ischen] Stein-Tempel.61
Die Bedeutung der Materialeigenschaften für die künstlerische Formgebung wird seit
dem 18. Jahrhundert vor allem von rationalistischen Architekturtheoretikern wie Lau-
gier und Lodoli hervorgehoben.62 Daran scheint Goethe anzuknüpfen, wenn er in sei-
nem kurzen Aufsatz Material der bildenden Kunst (1788) bemerkt, dass künstlerische
Qualität ganz wesentlich in der Anpassungsfähigkeit an das jeweilige Rohmaterial be-
steht :
Er [d. h. der Künstler] kann also nur in einem gewissen Sinne und unter einer gewissen Be-
dingung das hervorbringen, was er im Sinne hat, und es wird derjenige Künstler in seiner Art
immer der trefflichste seyn, dessen Erfindungs- und Einbildungskraft sich gleichsam unmit-
telbar mit der Materie verbindet, in welcher er zu arbeiten hat.63
Vor allem aber ist die Materialfrage angesichts des zunehmenden Gebrauchs von indus-
triell gefertigten Baustoffen eine architekturtheoretische Angelegenheit und im Wie-
ner Kontext wird das Problem einer organischen Verflechtung von Ornat und Struktur
mehrere Jahre vor dem Auftreten Sempers durch Eduard van der Nüll in seinen Andeu-
tungen über die kunstgemäße Beziehung des Ornamentes zur rohen Form (1845) diskutiert.64
61 Eitelberger, Programm der Vorlesungen »über Theorie der bildenden Künste« (zit. im Anhang,
S.
106), Bl.
4v. und Bl.
F.
62 J.
W. Goethe, Zur Theorie der bildenden Künste : 1.
Baukunst, in : Goethe’s Werke.
– Vollständige
Ausgabe letzter Hand, Stuttgart/Tübingen 1827–1830, XXXVIII, S. 165–167 (über Holztempel,
Steintempel und das Material der Architektur, wohl in Auseinandersetzung mit den Theorien von
Laugier). Neben Lodoli und Laugier sei an dieser Stelle an Jean-Louis de Cordemoys Nouveau
traité de toute l’architecture (1706) erinnert, wird in diesem Text doch erstmals das Prinzip des »ad-
justing architectural style/order according to materials, technique and use« eingeführt. Vgl. C. Un-
gureanu, »Sia funzion la rappresentazione«. Carlo Lodoli and the Crisis of Architecture, in : RIHA
Journal, 18, 2011. http://www.riha-journal.org/articles/2011/2011-jan-mar/ungureanu-carlo-lodoli
[16.05.2018].
63 J.
W. Goethe, Material der bildenden Kunst (1788), in : Goethe’s Werke (zit. Anm.
62), XXXVIII,
S.
167–169, hier S.
167. Vgl. dazu M. Wagner, Das Material der Kunst : eine andere Geschichte der
Moderne, München 2001 ; J.-P. Pudelek, Der Begriff der Technikästhetik und ihr Ursprung in der
Poetik des 18.
Jahrhunderts, Würzburg 2000, S.
155–158 (wobei der Autor zu dem Schluss gelangt,
dass »Technik […] nach Goethe kein Problem der Ästhetik [ist], weil das Werk in seinem Gegen-
stand, der Vorstellung, aufgeht«).
64 E. van der Nüll, Andeutungen über die kunstgemäße Beziehung des Ornamentes zur rohen Form,
in : Oesterreichische Blätter für Literatur und Kunst, 2, 52, 01.05.1845, S.
401–404 ; 53, 03.05.1845,
S. 411–414. Viele Jahre später würdigt Eitelberger van der Nüll und dessen Partner Eduard Si-
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Title
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Subtitle
- Netzwerker der Kunstwelt
- Authors
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 562
- Category
- Biographien