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124 Regine Prange unter Mitwirkung von Gerd Prange
Wie kam es zu diesem Umdenken ? Am 24. Juni 1851, nach dem Scheitern der Re-
volution, betont Eitelberger immer noch, allerdings nicht mehr öffentlich, sondern in
einer Eingabe an das Unterrichtsministerium, zwar einerseits die epochemachenden
Leistungen von Kants Kritik der Urteilskraft und der Vorlesungen über Ästhetik von
Hegel, setzt aber dagegen : »Der Theil aber, der jetzt vorzugsweise gepflegt werden muss,
ist das specielle Gebiet der einzelnen Künste, gepflegt von Männern, […] die von um-
fassenden Untersuchungen auf den speciellen Gebieten ausgehend die ästhetischen
Principien jeder einzelnen Kunst aus dieser selbst entwickeln.«47
1853, wiederum gegenüber dem Unterrichtsministerium, ist der Einfluss der Schule
Hegels auf die Ästhetik und derjenige der spekulativen Philosophen überhaupt in nur
noch sehr abträglicher Weise epochemachend. Ihnen wird jetzt angelastet, was andern-
orts von Eitelberger der großen Industrie vorgeworfen wird : »Man kann es mit Be-
ruhigung sagen, daß der herrschende Geschmack, der ein schlechter ist, durch diese
[die spekulativen Philosophen] erzeugt wird.«48 Die eigentümliche Formulierung Ei-
telbergers, solches »mit Beruhigung« aussprechen zu können, zeigt unverhohlen seine
Befriedigung darüber, dass solche philosophischen Einflüsse, denen er selbst einst an-
hing, erfolgreich eingedämmt werden konnten. Schriften Kants und Hegels und solche,
in denen deren Gedanken wieder aufzufinden waren, wurden damals indiziert ; es gab
Amtsenthebungen von Professoren, die Hegels Philosophie lehrten, wie etwa die des
Prager Philosophieprofessors Hanusch 1852.49
Eine derart gereinigte Philosophie erscheint Eitelberger 1855 empfehlenswert, wobei
seine Kriterien Erkenntnisstreben und Wahrheitsgehalt offenkundig nicht mehr vor-
rangig berühren : »Fast alle Philosophen Deutschlands um und seit dem Jahre 1848 ste-
hen, wenn nicht auf der Seite der streng konservativen, so doch der gemäßigten Partei.
Kein Philosoph hat sich an den Revolutionswirren direkt beteiligt. Der Natur der Phi-
losophie ist diess zuwider.«50 Auf Veränderungswillen hatte Eitelberger, konform mit
den reetablierten feudalen Mächten, inzwischen Verzicht geleistet. Schon 1854 emp-
47 Eitelberger, Eingabe vom 24. Juni 1851, die Bitte um Verleihung einer a. o. Professur für bil-
dende Kunst an der Wiener Universität enthaltend, ÖVA, Min. d. Cultus u. Unterrichts, zit. nach
Borodajkewycz, Frühzeit (zit. Anm.
43), S.
330. Hervorhebungen im Original.
48 Eitelberger, Eingabe vom 1.
Januar 1853, Nachlaß Thun, zit. ebenda, S.
333.
49 Siehe Borodajkewycz, Frühzeit der Wiener Schule (zit. Anm.
43), S.
338, Anm.
43.
50 Eitelberger, Exposé »Über Geschichte der Philosophie und ihre Bedeutung für Universitäten«,
22.
März 1855, Thun-Nachlaß, zit. ebenda, S.
342. Ähnliches hat Karl Marx im Brüsseler Exil schon
1845 befürchtet : »Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert ; es kömmt drauf an,
sie zu verändern.« K. Marx, [Thesen über Feuerbach], These
11, in : Werke, Schriften (hg. von H.-J.
Lieber, mit einem Vorwort von W. Elsner), Band
II. Frühe Schriften
II, Darmstadt 2013, S.
1–4,
hier S.
4. Hervorhebungen im Original.
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Title
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Subtitle
- Netzwerker der Kunstwelt
- Authors
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 562
- Category
- Biographien