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126 Regine Prange unter Mitwirkung von Gerd Prange
lich die Regeln der Theorie und einer eindringlichen Betrachtung der Denkmale der
KĂĽnste selbst zu entwickeln, und nicht wie bisher eine auf abstraktem Wege gewonnene
Theorie zur Würdigung der Kunstdenkmale anzuwenden«.54
Die Ăśbereinstimmung auch im Wortlaut mit der Eingabe an den Minister, die Eitel-
berger ein Jahr zuvor verfasst hatte und die bereits hier zitiert wurde, ist unĂĽbersehbar.
Doch findet sich auch ein bedeutsamer Unterschied : Gegenstand der Ästhetik sind bei
Leo Thun nicht mehr die Künste, sondern die Kunstdenkmäler, also ihre versteinerte, zu
Monumenten – auch ihrer, der Kunst, selbst – erstarrte Form, in der sie unberührt ver-
harren und gesellschaftlichen und geschichtlichen Prozessen entzogen sind. Die Auf-
richtung gewissermaĂźen von Denkmalen wird so auch zum Konzept der Wiener Quel-
lenschriften, die sich fĂĽr die Dauer der Herausgabe durch Eitelberger fast ausschlieĂźlich
auf Texte der Renaissance beschränkten.55
Wissenschaftler und StaatsbĂĽrokratie stimmten also in ihren theoretischen Konzep-
ten überein. Sie richteten sich am empirischen Verständnis der Philosophie und der
Ästhetik aus, hierbei dem schon erwähnten Philosophen Johann Friedrich Herbart56
folgend. Diese Orientierung gilt nicht nur für Eitelberger, der sich auch in der pädago-
gischen Ausrichtung seines Faches an Herbart anlehnt, sondern ebenso fĂĽr die Vertre-
ter eines allerdings rein formalästhetisch verstandenen Autonomieprinzips wie Eduard
Hanslick und Robert Zimmermann, die alle sozialkritischen und -utopischen Perspek-
tiven aus der Ästhetik verbannten.
Eitelbergers Kapitalismuskritik aus dem Geist der Hausindustrie
UnĂĽbersehbar drĂĽckt sich in diesen wissenschaftstheoretischen Neuorientierungen,
deren KernstĂĽck Herbarts Transformation der transzendentalen Freiheitsidee Kants
54 Graf Leo Thun, Vortrag am 14.Â
Oktober 1852, Ă–VA, zit. nach Borodajkewycz, FrĂĽhzeit der Wie-
ner Schule (zit. Anm.Â
43), S.Â
322.
55 Zur Entstehungsgeschichte siehe A. Dobslaw, Die Wiener »Quellenschriften« und ihr Heraus-
geber Rudolf Eitelberger von Edelberg. Kunstgeschichte und Quellenforschung im 19.Â
Jahrhundert
(Wiener Schriften zur Kunstgeschichte und Denkmalpflege, Bd.Â
1), Berlin/MĂĽnchen 2009.
56 Johann Friedrich Herbart (1776–1841) wurde als Nachfolger Kants zu seinem und Hegels »Ge-
genpapst« (Landerer) ausgerufen. Sein transhistorisches und objektivistisches Credo lautet : »die
praktische Philosophie ist ein Teil der Ästhetik«. Die Trennung, so Herbart, ruhe auf der falschen
Auffassung einer »transzendentalen Freiheit des Willens«. Johann Friedrich Herbart’s Sämmtliche
Werke, Leipzig 1856, Bd. Historisch-kritische Schriften, S. 205. Das Bestreiten der transzenden-
talen Freiheit dient dem pädagogischen Ideal der Erziehung zur Sittlichkeit, die eine stetige Bild-
samkeit des Edukanten voraussetzt, welche nach Auffassung Herbarts durch Kants Idee des freien
Willens verhindert werde.
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Title
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Subtitle
- Netzwerker der Kunstwelt
- Authors
- Julia RĂĽdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 562
- Category
- Biographien