Page - 130 - in Rudolf Eitelberger von Edelberg - Netzwerker der Kunstwelt
Image of the Page - 130 -
Text of the Page - 130 -
130 Regine Prange unter Mitwirkung von Gerd Prange
salität ein Ort ist, an dem sich auch das industrielle Massenprodukt heimisch fühlen
kann ; und in diesem Sinne ist Wien auch der Geburtsort der Design- und Warenäs-
thetik.61
Es ist der Genialität Riegls zu verdanken, den Inhalt der Kunst durch seine abs-
trakte Allgemeinheit gleichsam zum Verschwinden gebracht zu haben. Kunst braucht
demnach keinen Inhalt neben der Form, denn der Inhalt der Kunst ist die Kunst. Ihr
Inhalt ist ein a priori, eine nicht hintergehbare anthropologische Konstante : das Kunst-
wollen. In der Findung dieses Begriffs stößt die Wiener Kunstgeschichte auf einen al-
ten, vermeintlich längst überholten Bekannten, den deutschen Idealismus, allerdings in
der Form der sich von Hegel abwendenden Philosophie Schellings. Das Numinose des
Kunstwollens ist dessen numinos Absolutes, eine unbestimmte, die Natur wie die Kunst
antreibende Kraft.62 Sie war in der Rede vom »wahren Bedürfnis« auch von Eitelberger
schon der Kunst zugrunde gelegt worden. Das Problem, das sich mit dieser ursprungs-
mythischen Konstruktion herstellte, besteht darin, dass Kunst als solche geschichtslos
gedacht wird, nicht wirklicher Entwicklung fähig ist, sondern nur in der Lage, sich in
endlosen Variationen ihrer selbst zu manifestieren.
Eitelbergers Haushalt der Kunst. Zu den fachwissenschaftlichen Publikationen
Eitelberger verfĂĽgte noch nicht ĂĽber ein System antithetischer Grundbegriffe, durch
das Riegl einen die Einzelphänomene übergreifenden Entwicklungsgedanken evozieren
konnte. Seine genuin fachwissenschaftliche Arbeit, der er neben den zahlreichen Ver-
öffentlichungen zu pädagogischen und administrativen Fragestellungen nachging, lässt
jede explizite theoretische Konzeption vermissen. Seinem hier und da aufscheinenden
eigenen Anspruch, einen Begriff der Kunst aus dem kĂĽnstlerischen Gegenstand selbst
zu entwickeln, kann er nicht entsprechen. Denn weder sein Hang zum Lokalen – der
gesamte erste Band seiner gesammelten Schriften beschäftigt sich ausschließlich mit
Wiener Künstlern des 19. Jahrhunderts – noch sein Hang zum Kuriosen, letzterer ma-
nifest in seinem Aufsatz Ueber Spielkarten mit besonderer RĂĽcksicht auf einige in Wien be-
findliche alte Kartenspiele, 1859 geschrieben und mit ĂĽber 60Â
Seiten einer seiner längsten
61 Zu diesen Zusammenhängen F. J. Schwartz, The Werkbund : Design Theory and Mass Culture
Before the First World War, New Haven/London 1996.
62 Zur näheren Begründung dieser Genealogie siehe R. Prange, Schellings Kristall. Zur Rezeptions-
geschichte einer Identitätsmetapher in Kunst und Kunsttheorie, mit Lacan betrachtet (Teil 1), in :
Imago. Internationales Jahrbuch für Psychoanalyse und Ästhetik, Bd. 2 (hg. von M. Clemenz/H.
Zitko/M. BĂĽchsel/D. Pflichthofer), GieĂźen 2013, S.Â
73–114.
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Title
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Subtitle
- Netzwerker der Kunstwelt
- Authors
- Julia RĂĽdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 562
- Category
- Biographien