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Wissenschaft, Industrie und Kunst 131
zusammenhängenden kunsthistorischen Texte,63 sind geeignet, einer solchen Aufgabe
gerecht zu werden.
Und doch sind die rudimentären romantischen Theoreme aus den Vorlesungsnoti-
zen bemerkenswert, zeigt sich Eitelbergers BewertungsmaĂźstab an die dort skizzierte
höchste Norm der Individualität gebunden, wenngleich nun von objektivierenden Kri-
terien keine Rede mehr ist. Mit seinem Urteil ĂĽber Kunst ist Eitelberger, wie der Vor-
trag über Das Porträt von 1860 zeigt, genauso schnell fertig, wie er es den spekulativen
Philosophen vorgehalten hatte, wobei er eine nicht gerade gedankenreiche Perspektive
an den Gegenstand anlegt : »Porträt und Ideal sind die beiden Pole der Kunst, das Eine
weist die Kunst auf das Gebiet der reinen Phantasie, das Andere auf das Gegebene, die
Erscheinung. Das Eine knĂĽpft die Kunst an die Familie, das Andere an die Gottheit, die
Religion. […] Beide beruhen auf dem Studium der menschlichen Gestalt, […].«64 Der
ästhetische Maßstab ist ein denkbar einfacher – »je größer der Künstler, desto schöner
das Porträt«65 – und überhaupt : »Auf den Künstler und auf diesen allein kommt es
an, ein wahres Porträt mit Seele, Leben, Charakter zu schaffen«66. Eine differenzierte
Erörterung von einzelnen Künstlerpersönlichkeiten oder gar Werken fehlt. Während
Eitelberger atemlos durch die Jahrhunderte, von Name zu Name eilt, findet er aber doch
immer noch Zeit, Bemerkungen einzustreuen, welche Art Kunst besonders fĂĽr den aka-
demischen Unterricht tauge – familienfreundlich und staatstragend muss sie jedenfalls
sein. Eine Auseinandersetzung mit idealisierenden oder realistischen Prinzipien wird
durchgängig vermisst. Für die »schwindelnden Höhen des Idealismus« braucht er oh-
nehin nur eine Seite, um mit ihnen abzurechnen : Jacques-Louis Davids Gestalten er-
scheinen ihm »verblasst oder carrikirt«, Angelica Kauffmann und Le Brun vertreten
bloß »hohle Idealität«, und nichts sei »trostloser« als Overbeck und seine »Zeit- und
Gesinnungsgenossen«.67
Interessanter wird der Text, wenn sich in ihm, jenseits solcher Polemiken, doch all-
mählich ein Kunstideal enthüllt, das Eitelberger sich jedoch klar zu formulieren hütet.
63 R. Eitelberger von Edelberg, Ăśber Spielkarten mit besonderer RĂĽcksicht auf einige in Wien
befindliche alte Kartenspiele, in : ders., Gesammelte kunsthistorische Schriften, III (zit. Anm. 57),
S.Â
262–323. Die am Anfang des Textes eingeführten kulturhistorischen Interessen und die genannte
kunstgeschichtliche Thematik der Allegorie werden durch die rein deskriptiven Kommentare nicht
substanziiert.
64 R. Eitelberger von Edelberg, Das Porträt : Vortrag gehalten im Ständehause am 7. März
[1860], in : ders., Gesammelte kunsthistorische Schriften, III (zit. Anm. 57), S. 189–220, hier
S.Â
189.
65 Ebenda, S.Â
191.
66 Ebenda, S.Â
193.
67 Ebenda.
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Title
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Subtitle
- Netzwerker der Kunstwelt
- Authors
- Julia RĂĽdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 562
- Category
- Biographien