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142 Georg Vasold
Folgt man der bislang vorliegenden, freilich noch sehr lückenhaften Forschung, so
hatte Wien damals nichts Vergleichbares vorzuweisen – sehr wohl aber Prag. Den Le-
benserinnerungen von Anton Springer ist zu entnehmen, dass auch er schon in den
1840er Jahren und somit zeitgleich mit Kugler und Schnaase begonnen hatte, »einzelne
Abhandlungen über die Stellung Chinas, Indiens, Vorderasiens [und] Griechenlands
[…] zusammenzustellen«.22 Ob dieses Wissen in seine Vorlesungen, die er an der Prager
Akademie hielt, Eingang gefunden hat, ist nicht bekannt ; aber es ist zumindest auf-
fallend, dass er sich in seinen Kunsthistorischen Briefen nicht nur ausführlich etwa über
die »Kunst der Orientalischen Völker«23, sondern auch über die Architektur Mexikos
und Chinas äußerte, dabei methodisch ambitionierte, namentlich kunstgeographische
Überlegungen anstellte und überdies die Frage nach der »Stellung [der] Kunst in der
Weltgeschichte«24 aufwarf.
Von Eitelberger weiß man über ein derart gelagertes Interesse bislang nichts. Wenn
dennoch im Folgenden die Behauptung aufgestellt wird, dass er an dem zur Jahrhun-
dertmitte anschwellenden Weltkunstdiskurs partizipierte, so nicht deshalb, um für ihn
etwas in Anspruch zu nehmen, was in seinem Kunstverständnis in Wahrheit vielleicht
nur von sekundärer Bedeutung war. Vielmehr geht es darum zu zeigen, dass auch in
Wien, und zwar tatsächlich in Eitelbergers engstem intellektuellem Umfeld, von An-
fang an und sehr intensiv über das Thema der Weltkunst nachgedacht wurde und auch
er davon nicht unberührt blieb. Um dies zu belegen, soll ein Blick auf Eitelbergers frühe
Zeit geworfen werden, insbesondere auf die 1840er Jahre, als die vorrevolutionäre Stim-
mung die Kunstwissenschaft zu Perspektiven drängte, die neu waren und nicht selten
die Welt im Fokus hatten. Dabei gilt es darzustellen, dass diese Perspektiven in Wien
nicht so sehr auf das Totale abzielten, sondern eher Anlass für kunstmethodische Re-
flexionen boten und überdies die Möglichkeit eröffneten, grundlegend über den Status
der Kunst in der Habsburgermonarchie nachzudenken – eine Tatsache, die sich für die
Entwicklung der Wiener Schule als bedeutsam erweisen sollte.
von M. Espagne/B. Savoy/C. Trautmann-Waller), Berlin 2010, S. 93–104, hier S. 88. Zur Be-
merkung von Rosenkranz vgl. S.
90.
22 A. Springer, Aus meinem Leben, Berlin 1892, S.
38.
23 So lautet der Titel des 3. Kapitels von A. H. Springer, Kunsthistorische Briefe. Die bildenden
Künste in ihrer weltgeschichtlichen Entwicklung, Prag 1857, S.
39.
24 Springer, Kunsthistorische Briefe (zit. Anm.
23), S.
12.
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Title
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Subtitle
- Netzwerker der Kunstwelt
- Authors
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 562
- Category
- Biographien