Page - 145 - in Rudolf Eitelberger von Edelberg - Netzwerker der Kunstwelt
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Pulszky, Böhm und Eitelberger 145
diese Art eine praktische Kunstgeschichte darstellte, indem er aus allen Zeiten und von allen
Völkern charakteristische, das eigenthümliche Kunstleben prägnant bezeichnende Objecte
aneinander reihte, und in dieser Beziehung ist seine Sammlung höchst lehrreich, da sie den
gesammten Entwicklungsgang der Kunst zur Anschauung bringt.32
Böhms Weltbewusstsein spiegelt sich nicht nur in seiner Sammlung, die Werke u. a. aus
Indien, China und Japan umfasste, sondern auch in seiner jahrelangen Tätigkeit im Nie-
derösterreichischen Gewerbverein. Als 1839 in Wien gegründete Interessensvertretung
von Handel, Gewerbe und Industrie hatte es sich dieser Verein zum Ziel gesetzt, in
Österreich endlich moderne Wirtschaftsstrukturen zu schaffen. Dabei war auch vorge-
sehen, die Handelsbeziehungen mit den Ländern des Orients zu stärken. Böhm beklei-
dete im Niederösterreichischen Gewerbverein eine gewichtige Position, er war nicht nur
Gründungsmitglied, sondern ab 1840 auch stellvertretender Vorsitzender der Abteilung
für Schöne Künste. Eine solche Abteilung war deshalb eingerichtet worden, weil der Ver-
ein, an dem einige der führenden Wiener Künstler aktiv mitwirkten (u. a. Leopold Ku-
pelwieser, Carl Roesner und Paul Sprenger), von Anfang an eine zweigleisige Arbeitsa-
genda verfolgte. Es ging darum, neben industriell-gewerblichen auch künstlerische Be-
lange zu fördern : eine Idee, die eine Generation später für die Entstehung und das Pro-
fil des Österreichischen Museums entscheidend wurde.33 Dieser letzte Aspekt, »die enge
und bewußt gepflegte Verbindung von Kunst und Industrie«34, bildete gewissermaßen
das Herzstück des erstarkenden bürgerlich-liberalen Selbstverständnisses in Österreich
und wurde im Gewerbverein nicht zuletzt deshalb so betont, weil er unter Metternich
jahrelang vernachlässigt worden war. Dass gerade der Orienthandel ins Blickfeld der
Vereinsmitglieder rückte, ist kein Zufall. Als Folge der politischen Veränderungen, die
sich ab 1839 im Osmanischen Reich im Rahmen der Tanzimat-Reformen ankündigten,
wurden in Wien Pläne geschmiedet und Strategien entworfen, um aus der veränderten
Weltlage einen merkantilen Nutzen zu ziehen. Wie der Vereinszeitung zu entnehmen
ist, erkannten die Mitglieder den Orient als neue, »bedeutende Absatzquelle« und son-
32 E. S. [Eduard Sacken], Joseph Daniel Böhm, in : Versteigerung der Kunst-Sammlung des am
15. August 1865 verstorbenen k. k. Kammer-Medailleurs und Directors der k. k. Münz-Gra-
veur-Akademie, Herrn Jos. Dan. Böhm, zu Wien, am 4.
December d.
J. und an den folgenden Tagen,
in der Kärnthnerstrasse
16, durch Alexander Posonyi, Kunsthändler, Wien 1865, S.
VII f.
33 K. Pokorny-Nagel, Zur Gründungsgeschichte des k. k. Österreichischen Museums für Kunst und
Industrie, in : Noever (Hg.), Kunst und Industrie (zit. Anm.
19), S.
52–89, hier S.
56.
34 E. Springer, Geschichte und Kulturleben der Wiener Ringstraße (Die Wiener Ringstraße. Bild
einer Epoche, Bd.
2), Wiesbaden 1979, S.
18.
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Title
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Subtitle
- Netzwerker der Kunstwelt
- Authors
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 562
- Category
- Biographien