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150 Georg Vasold
berichtete über zeitgenössische Diskussionen, in denen das Kosmopolitische als das Ge-
genteil des Patriotischen beschrieben wurde, und stellte grundsätzliche Überlegungen
darüber an, in welcher Form das »Fremde« – ein Begriff, den er tatsächlich auffallend
häufig gebrauchteÂ
– in Österreich bzw. in Wien heimisch werden könne.
Das Leben einer Stadt stellt immer eine bestimmte Partikularität in Sitten, Gewohnheiten
und Lebensverhältnissen dar […]. Dasjenige, was sich als ein Besonderes so partikularisirt,
ist aber bei Vermehrung der civilisirenden Verhältnisse, bei dem Einflusse der Mode, bei dem
Streben das unerkannte Gute und oft auch das Schlechte […] aus der Fremde heimatlich zu
machen, einem fortgesetzten Kampfe ausgesetzt, in Folge dessen es sich entweder umgestaltet
oder ganz und gar verloren geht. Wir mögen hier nicht rechten, ob diese Veränderung zu den
guten oder schlechten Seiten moderner Lebensverhältnisse gehört […].46
Eitelberger stand mit seiner Beobachtung, dass kulturelle Traditionen sowie regionale
oder nationale Identitäten in der modernen Zeit herausgefordert werden und sie sich
wohl oder ĂĽbel umgestalten mĂĽssen, da andernfalls ihr Verschwinden drohe, durchaus
nicht allein. Erneut ist hier auf den Böhm-Kreis zu verweisen, in dem namentlich Imre
Henszlmann ganz ähnliche Überlegungen anstellte und darüber reflektierte, wie »eine
nationelle Kunst bei einer fremden Nationalität heimisch werden könne«.47
Im Herbst 1845 griff Eitelberger solche Gedanken abermals auf und behauptete,
dass es in der Geschichte der Kunst immer wieder Abschnitte gegeben habe, in denen
es zu markanten Richtungsänderungen gekommen sei. In Abgrenzung von der Vorstel-
lung eines ungebrochenen und geradlinigen historischen Entwicklungsverlaufs konsta-
tierte er fĂĽr die Kunstgeschichte wiederholt auftretende
Stadien des Überganges, der Entzweiung […], wo verschiedene historische Elemente ein-
brechen und den Gang der historischen Entwicklung entweder hemmen oder durch Hinein-
ziehen fremder neuer Gedanken befruchten und erheben, da sehen wir in kräftigen Zeiten bei
gesunden unverdorbenen Kräften die fremden Elemente sich in heimische übersetzen […].48
46 R. Eitelberger von Edelberg, Die bildenden KĂĽnste und Wien, in : Wiener Zeitschrift fĂĽr
Kunst, Literatur, Theater und Mode, 30, Nr.Â
83, 26.04.1845, S.Â
331 f., hier S.Â
331.
47 Henszlmann, Böhm (zit. Anm.Â
31), S.Â
123.
48 R. Eitelberger von Edelberg, Zur Orientierung im modernen Kunstverhältnisse, in : Oesterrei-
chische Blätter für Literatur und Kunst, Geschichte, Geografie, Statistik und Naturkunde, 2, 1845,
S.Â
1025–1029, hier S.Â
1028.
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Title
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Subtitle
- Netzwerker der Kunstwelt
- Authors
- Julia RĂĽdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 562
- Category
- Biographien