Page - 151 - in Rudolf Eitelberger von Edelberg - Netzwerker der Kunstwelt
Image of the Page - 151 -
Text of the Page - 151 -
Pulszky, Böhm und Eitelberger 151
Auch wenn Eitelberger aus solchen Gedanken nie eine umfassende Theorie der Über-
setzung entwickelte, so ist unbestreitbar, dass man es hier mit einem Forscher zu tun hat,
der sich intensiv und sehr aufmerksam mit dem Prozess der kulturellen Eingemeindung,
der Anpassung, mit der Wandelbarkeit von Traditionen, dem Ringen um Identitäten,
kurzum : mit Fragen der Akkulturation beschäftigte.
Freilich, ganz unvoreingenommen war er dabei nicht. Seine eigene politische Hal-
tung war eindeutig national gefärbt. Eitelbergers bisweilen offen zur Schau gestellter
Deutschnationalismus macht die Lektüre mancher seiner Artikel etwas unerfreulich.
Aber selbst in diesen Texten bemühte er sich um Differenzierung. Was ihm als Ideal
vorschwebte, war eine Kunst, die »nationell [ist], ohne borniert zu sein«.49 Die Vorstel-
lung etwa einer nationalen Homogenität, d. h. eines Ortes, an dem nur Künstler einer
Nation wirken, erschien ihm alles andere als erstrebenswert. Die künstlerische Mobilität
und damit das Übertragen, das Importieren fremder Ideen sei nämlich der Normalfall.
Immer dann, wenn
– wie er betonte
– die äußeren Bedingungen nicht stimmen, wird der
bildende Künstler
den Wanderstab ergreifen, und nach Orten sich begeben, an denen es ihm wohler werden
kann. Darin liegt es, warum zu gewissen Zeiten Aegina, Sicyon, Korinth, Athen, Rom, Vene-
dig, Antwerpen, Nürnberg u.
s.
w. der Mittelpunkt für alle kunststrebenden Geister geworden
sind. An der Herrlichkeit dieser Orte arbeiteten zur Zeit ihrer Blüthe nicht bloß die eingebor-
nen Künstler, sondern oft die ganze Kunstwelt, immer aber ein großer Theil derselben, mit.50
Eitelberger brachte schon in den 1840er Jahren mit großer Regelmäßigkeit die Span-
nungen zur Sprache, die sich aus der politischen Realität eines Vielvölkerstaates er-
gaben. Seine Haltung, das sei nicht verschwiegen, war dabei schwankend. Manchmal
verfasste er Artikel, in denen er für die gleichwertige Anerkennung der Kunst aller Län-
der eintritt. Dann wiederum entwickelte er nachgerade einen nationalistischen Eifer, in
dessen Zuge er die kulturelle Überlegenheit der Deutschen behauptete, die Franzosen
samt und sonders als frivol und egoistisch bezeichnete und den slawischen Beitrag an
der Kultur der Habsburgermonarchie schlicht nicht zur Kenntnis nehmen wollte. Sol-
che Ausfälle leistete er sich aber bezeichnenderweise nur selten, und zwar in politisch
49 R. Eitelberger von Edelberg, Die Wiener Kunst und ihre Zukunft, in : Oesterreichische Blätter
für Literatur und Kunst, Geschichte, Geografie, Statistik und Naturkunde, 3, 1846, S.
289–291, hier
S.
290.
50 Eitelberger, Die bildenden Künste und Wien (zit. Anm.
46), S.
332.
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Title
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Subtitle
- Netzwerker der Kunstwelt
- Authors
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 562
- Category
- Biographien