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152 Georg Vasold
prekären Zeiten, so etwa während des Deutsch-Französischen Krieges, als er glaubte,
eindeutig und eher kritiklos Partei für Preußen ergreifen zu müssen.51
Von solchen Fällen abgesehen lässt sich aber sagen, dass Eitelberger überwiegend
ein großes und insgesamt doch recht nüchternes Interesse an der Frage hatte, wie die
Künste der verschiedenen Völker und Länder aufeinander wirken und welche kreativen
Prozesse dabei in Gang gesetzt werden. Zu einer kritiklosen Verherrlichung des Kos-
mopolitischen führte dies aber nicht. Bis zuletzt hielt er an der Idee fest, dass die Kunst
stets so etwas wie eine regionale oder auch nationale Verwurzelung haben und auch
behalten müsse. Mehr als einmal warnte er davor, dass etwa durch eine bestimmte, alles
umfassende Mode oder durch einen künstlerisch hegemonialen Ausdruck – d. h. durch
ein einheitliches, sich überall ausbreitendes Stilidiom – die künstlerische Partikularität
eines jeweiligen Ortes, sein genius loci, verschwindet.
Diese Angst vor dem Verlust der künstlerischen wie der nationalen Identität – ein
Phänomen, das in der Habsburgermonarchie immer wieder zu beobachten war – ver-
stärkte sich zu Lebzeiten Eitelbergers noch einmal, und zwar in den frühen 1870er
Jahren, als angesichts der bevorstehenden Weltausstellung das Kosmopolitische auch
in der Tagespresse zum großen Thema wurde. Im Jahre 1872 erschienen in der Neuen
Freien Presse einige Artikel, in denen die Frage diskutiert wurde, in welchem nationa-
len Pavillon die österreichischen Künstler, die im Ausland lebten, eigentlich ausstellen
sollten : im österreichischen ? Oder doch besser in jenem des Landes, in dem sie aktuell
wohnten ? Im Zuge dieser Diskussionen wurde der grundsätzlich kosmopolitische Cha-
rakter der Weltausstellungen geradezu angstvoll zum künstlerischen Problem erklärt.
»Das Volk hat keine Kunst mehr«, liest man dort. Die einst vorhandene »kraftvolle na-
tionale Eigenart [droht] durch kosmopolitisches Allheitsbestreben zu verwässern. […]
[Was bleibt ist] eine dünne, unappetitliche, […] eine universale, eine kosmopolitische
Kunst.«52
So weit ging Eitelberger nicht. Die in der Presse gehegten Bedenken teilte er aber
weitgehend. Als Wissenschaftler und Lehrender wollte er sie aber nicht zerstreuen, son-
dern nahm sie zum Anlass, um daraus – widerwillig zwar, aber doch – eine Forderung
abzuleiten. Und zwar die Forderung, sich als Forscher auch mit jener Kunst zu beschäf-
tigen, die ihr nationales Gepräge abgelegt habe und einen universellen Charakter be-
sitze.
Der ästhetische Polyglottismus, der Alp aller Kunstphilosophen und aller Kunstschulen ist
[zwar] principiell zu verwerfen, aber er ist eine Thatsache, deren Vorhandensein man nicht un-
51 R. Eitelberger von Edelberg, Die österr. Kunstindustrie und die heutige Weltlage, Wien 1871.
52 J., Die Kunst des Volkes, in : Neue Freie Presse, 13.01.1872, Abendblatt, S.
4.
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Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Title
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Subtitle
- Netzwerker der Kunstwelt
- Authors
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 562
- Category
- Biographien