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Rudolf von Eitelberger
– Architekturkritik 181
tionen – im Zuge des Studiums der eigenen Baugeschichte und ihrer Rezeption im
Neubauwesen
– unterfüttert werde :
Von der tieferen Erkenntnis unserer Kunst und unserer Bauwerke an der Donau, der Elbe und
in der alten polnischen Königsstadt ausgehend, wird sich der Uebergang zu der Kunst des üb-
rigen Deutschland leicht finden ; leichter werden wir auf diese Weise uns als Glieder desselben
Bundes, als Genossen derselben Kunstrichtung fühlen, als durch einen umgekehrten Versuch.27
Nicht der Import deutscher Vorbilder sollte also nach Eitelberger zu einem großdeut-
schen Selbstverständnis führen, sondern die Erkenntnis des deutschen Erbes in der ein-
heimischen Baukunst und dessen Weitertradierung. Bemerkenswert ist die gleichsam
›binnenkolonisatorische‹ Einbeziehung der »polnischen Königsstadt« Krakau, die erst
1846 von Österreich annektiert worden war und nicht zum Gebiet des Deutschen Bun-
des gehörte, in das ›großdeutsche‹ Bauerbe. Demnach war Eitelberger Verfechter einer
großdeutsch-mitteleuropäischen Lösung, die weit über die Grenzen des alten Reiches
hinausgegriffen und auch die transleithanischen Gebiete der Habsburgermonarchie
miteinbezogen hätte. Eine solche Lösung wurde von Österreich angestrebt, um sich
eine hegemoniale Stellung innerhalb des Bundes zu sichern.28 Eitelberger schien sie of-
fenbar deshalb möglich, weil er trotz seines Eintretens für eine Gleichberechtigung aller
Nationalitäten 1848 von einer kulturellen Hegemonie des Deutschtums auf dem ge-
samten Gebiet der Monarchie (möglicherweise mit Ausnahme der italienischen Kron-
länder) ausging.29 Diese Grundüberzeugung tritt auch in Eitelbergers architekturhis-
torischen Schriften zum Bauerbe der Kronländer zutage. So konstatierte er 1856 eine
Bindung der romanischen Architektur in Ungarn an die Baukunst Mitteleuropas, die
sich von der oberen Donau und vom Rhein in einer Wellenbewegung von West nach
27 Eitelberger, Kirchliche Architektur, (zit. Anm.
3), S.
35.
– Dies widerlegt die in der Forschungs-
literatur anzutreffende Auffassung, Eitelberger habe nach dem Scheitern der Revolution seine
»youthful sympathy for German nationalism« hinter sich gelassen (J. Bakoš, Discourses and Stra-
tegies. The Role of the Vienna School in Shaping Central European Approaches to Art History &
Related Discourses [Schriftenreihe der Slowakischen Akademie der Wissenschaften, 5], Frankfurt a.
Main u. a. 2013, S.
176 f.).
28 J. Müller, Der Deutsche Bund 1815–1866 (Enzyklopädie deutscher Geschichte, 78), München
2006, insb. S.
35.
29 1848 hatte Eitelberger auch die Ansicht geäußert, dass der Schutz Österreichs und seiner Nationali-
täten vor russischer Willkürherrschaft nur durch den Anschluss an Großdeutschland zu gewähr-
leisten sei, was eine »Hegemonie des Deutschen Elements« bedinge, die von den anderen Nationali-
täten um des Schutzes ihrer Rechte willen zu akzeptieren sei (Eitelberger, Vorlesung, 1848 [zit.
Anm.
24], S.
501).
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Title
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Subtitle
- Netzwerker der Kunstwelt
- Authors
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 562
- Category
- Biographien