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Rudolf von Eitelberger
– Architekturkritik 187
gen hier durch.58 Solcherlei Kritik bezog sich keinesfalls nur auf neobyzantinische
Bauten : So geißelte Eitelberger 1869 die Rezeption französischer Barockarchitektur
durch Schüler van der Nülls in Wien, weil sie »nicht unser Fleisch und Blut« sei. »Das
Romanische, mag es wälsch oder fränkisch sein, bleibt uns ewig fremd.«59 Hinter-
grund solcher Äußerungen könnten, wie Kurdiovsky bemerkt, neben der national auf-
geheizten Stimmung zur Zeit des Deutsch-Französischen Kriegs und wirtschaftlicher
Rivalität durchaus auch die außenpolitischen Beziehungen zwischen Frankreich und
Österreich gewesen sein.60 So musste Österreich 1866 nach dem Dritten Italienischen
Unabhängigkeitskrieg und der Niederlage gegen das mit Italien verbündete Preußen
bei Königgrätz seine venezianischen Besitzungen an Frankreich abtreten, das ebenfalls
mit Italien verbündet war und Venetien schließlich an dieses weiterreichte. Bezeich-
nenderweise wurde die 1869 eingeweihte Hofoper (Abb. 1), die nicht zuletzt Bezüge
zu französischer Architektur aus Spätgotik und Renaissance aufweist, vom kritischen
Wiener Publikum bekanntlich als »Königgrätz der Architektur« diffamiert.61
Was vor diesem Hintergrund zunächst erstaunt, ist die uneingeschränkte Begeiste-
rung, mit der sich Eitelberger 1878 über die von Heinrich Ferstel entworfene Votivkir-
che, errichtet 1856–1879 (Abb. 3), äußert : In diesem »herrlichsten Denkmale der got-
hischen Kunst des 19.
Jahrhunderts« habe der Architekt französische und deutsche Go-
tik »auf das Glücklichste vereinigt«.62 Während Eitelberger in seiner Schrift von 1853
noch statt »Gotik« den Terminus »altdeutscher Stil«63 verwendete, scheint die nationale
Konnotation dieses Baustils für ihn am Ende der 1870er Jahre in den Hintergrund ge-
treten zu sein, zumal die historischen Ursprünge der Gotik in Frankreich zwischen-
zeitlich allgemein anerkannt waren. Bereits 1856 reflektierte Eitelberger den Gebrauch
nationaler Zuschreibungen wie »germanischer Styl« in der stilistischen Terminologie
zur mittelalterlichen Baukunst kritisch. Weder eine ausschließlich nationale noch eine
ausschließlich kirchliche Deutung dieser Stile sei historisch richtig. Gleichwohl ver-
58 Vgl. etwa : Eitelberger, Der Einfluß (zit. Anm. 36). – Dem Topos der »deutschen Innerlichkeit«
als Deutungsmuster deutscher Kunst und kulturkritischer Anforderung an dieselbe sollte noch eine
lange Karriere bevorstehen, zu deren wichtigsten Stationen J. Langbehns Rembrandt als Erzieher
(»Von einem Deutschen«, Leipzig 1890, zahlreiche Neuauflagen) und W. Pinders Der Naumburger
Dom und seine Bildwerke (Berlin 1925) zählen.
59 R. Eitelberger von Edelberg, Eduard van der Nüll und August v. Siccardsburg, in : Zeitschrift
für bildende Kunst, 4, 1869, S.
177–187, S.
214–218, S.
244–249, hier S.
249.
60 Kurdiovsky, Paris als Vor- und Gegenbild (zit. Anm.
57), S.
52.
61 Pötschner/Franz, Wiener Styl (zit. Anm.
19), S.
282.
62 R. Eitelberger von Eitelberger, Heinrich Ferstel und die Votivkirche [geschrieben 1878], in :
ders., Gesammelte kunsthistorische Schriften, I (zit. Anm.
3), S.
271–348, hier S.
278, S.
291.
63 Eitelberger, Kirchliche Architektur (zit. Anm.
3), S.
10.
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Title
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Subtitle
- Netzwerker der Kunstwelt
- Authors
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 562
- Category
- Biographien