Page - 190 - in Rudolf Eitelberger von Edelberg - Netzwerker der Kunstwelt
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190 Timo Hagen
kennzeichne sie eine Auffassung von Malerei und Skulptur als integralem Bestandteil
von Architektur.
Die nach dem bisher Gehörten überraschend positive Bewertung des Rückgriffs auf
›fremde‹ italienische Bauformen wird also zum einen aus einer vorgeblich dem Wie-
ner Lokalkolorit entsprechenden Aneignung dieser Formen gerechtfertigt. Bereits 1864
hatte der Wiener Stadtarchivar, -bibliothekar und profilierte Kunstkritiker Karl Weiß
seine Präferenz für italienische Vorbilder mit der geographischen Lage Wiens begrün-
det, die bereits im 17. und in der ersten Hälfte des 18.
Jahrhunderts zu einer Rezeption
des italienischen Palazzo geführt habe.73 Auch in einem Artikel in der Wiener Neuen
Freien Presse vom Mai 1866 wurde das Italienische mit dem Hinweis auf eine Rezepti-
onstradition italienischer Architektur im Wiener Bauwesen der frühen Neuzeit gleich-
sam domestiziert.74
Zum anderen, so Eitelberger 1871, entspreche der Blick nach »Hellas« oder nach
Florenz und in die Toskana dem »Zuge der humanistischen Bildung des deutschen Vol-
kes«.75 Der Fokus speziell auf die Florentiner bzw. toskanische Renaissance weist ihn
wiederum als Vertreter des liberalen Bürgertums aus, das sich seit Jakob Burckhardts
Schriften im besonderen Maße mit den wirtschaftlich erfolgreichen und politisch
20. Jahrhunderts, der positiv besetzt stets zur abgrenzenden Selbstbeschreibung gebraucht wurde
(vgl. J. Vybíral, The Vienna School of Art History and (Viennese) Modern Architecture, in : Jour-
nal of Art Historiography, 1, 2009 (https://arthistoriography.files.wordpress.com/2011/02/me
dia_139133_en.pdf [16.05.2018]), S.
1–17, hier S.
6 f.). Dies war insb. dann der Fall, wenn Distanz
zu den Hinterlassenschaften der jeweils vorangehenden Architektengeneration geschaffen werden
sollte. Dem bürgerlich-liberal gesinnten Eitelberger diente dieser Topos auch dazu, die klassizisti-
sche Architektur der Restaurationszeit als Sinnbild einer repressiv-zentralistischen Politik des Staa-
tes zu diffamieren, die zu einer akademisch-strengen, historische Vorbilder lediglich imitierenden
Einheitsarchitektur geführt habe (vgl. N. O. [R. Eitelberger von Edelberg], Einige Bemer-
kungen über Kunst und Kunstzustände in Pesth, in : Deutsches Kunstblatt. Zeitschrift für bildende
Kunst, Baukunst und Kunstgewerbe. Organ der Kunstvereine in Deutschland, VI, H.
20, 17.05.1855,
S. 173–175, hier S. 173 f.; zur Publikationstätigkeit Eitelbergers unter dem Pseudonym »N. O.«
im Deutschen Kunstblatt siehe den Beitrag von E. Ziemer in diesem Band ; zu Eitelbergers Haltung
gegenüber dem Bauwesen der Restaurationszeit siehe : Rampley, Vienna School [zit. Anm. 23],
S.
143 ; Springer, Wiener Ringstraße [zit. Anm.
25], S.
29 f.).
73 K. W[eiss], Die Architektur des neuen Wien, I, in : Oesterreichische Wochenschrift für Wissen-
schaft, Kunst und öffentliches Leben. Beilage zur k. Wiener Zeitung, 1864, Bd. 4, S. 1551–1555,
hier S. 1554 ; vgl. dazu : Springer, Wiener Ringstraße (zit. Anm. 25), S. 429 ; J. Rüdiger, Die
monumentale Universität. Funktioneller Bau und repräsentative Ausstattung des Hauptgebäudes
der Universität Wien, Wien/Köln/Weimar 2015, S.
189–191.
74 O. A., Die Franzosen in der Wiener Architektur, in : Neue Freie Presse, III, Nr. 604, 16.05.1866,
Abendblatt, S.
4.
75 [Eitelberger], Die Renaissance in Wien (zit. Anm.
4).
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Title
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Subtitle
- Netzwerker der Kunstwelt
- Authors
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 562
- Category
- Biographien