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Rudolf von Eitelberger
– Architekturkritik 201
Matthew Rampley dazu Anlass, Lübkes Publikation im Licht des Deutschen Krieges
und des Kulturkampfes zu deuten.113
Schließlich steht zu vermuten, dass Eitelberger in der ›deutschen Renaissance‹ nicht
nur eine bedauerliche Fehlentwicklung im Deutschen Reich sah, sondern auch eine
Konkurrenz für die ›Wiener Renaissance‹ in Österreich. 1872–1875 war dort mit dem
Verwaltungsgebäude der Oesterreichischen Nationalbank ein von Friedrich Schmidt
entworfener erster prominenter Vertreter dieses Stils in Wien errichtet worden (Abb.
8).
Eitelberger sah sich genötigt, die aus seiner Sicht limitierten Möglichkeiten dieses Stils
mit der spitzen Bemerkung herauszustellen, Schmidts Bauten im Stil der ›deutschen
Renaissance‹ trügen »den Charakter der bürgerlichen Verhältnisse an sich, für welche
sie geschaffen« seien.114 Eine Anlehnung an die italienische Renaissance bot dagegen
aus Eitelbergers Sicht die Möglichkeit, seine normativen Stilideale mit deutschlibe-
ral-bildungsbürgerlich-wienerischen Identitätswerten und einer wirtschaftspolitisch
gewünschten gleichmäßigen Förderung unterschiedlicher Kunstgattungen so zu ver-
knüpfen, dass das Ergebnis der imperialen Repräsentation im Konzert der Mächte för-
derlich war.
Schlussfolgerungen und Ausblick
Wenn in diesem Beitrag viel von Identitätskonzepten und Geschichtsbildern die Rede
war, die mit Architektur in Verbindung gebracht wurden, und wenig von den Bauten
selbst, so spiegelt dies durchaus die Struktur der Texte Eitelbergers wider. Dieser ver-
zichtet nicht selten ganz darauf, konkrete Bauten zu benennen oder abzubilden, anhand
derer der Leser seine oft apodiktischen Ausführungen nachvollziehen könnte. Eine nä-
here formale Beschreibung wird fast nie gegeben und wenn doch, so konzentriert sie
sich häufig auf die malerische Ausstattung der Bauten und weniger auf die Architektur
selbst. Entsprechend finden sich in Eitelbergers Schriften auch eher selten ästhetische,
auf rein formalen Beobachtungen fußende Beurteilungen.
Diese Befunde überraschen, wenn man bedenkt, dass Quellenpositivismus und Em-
pirismus als Grundcharakteristika der kunsthistorischen Methode der frühen Wiener
Schule gelten. Eitelberger selbst initiierte groß angelegte Schriftquelleneditionen115 und
113 Rampley, Vienna School (zit. Anm.
23), S.
97 f.
114 Eitelberger, Friedrich Schmidt (zit. Anm.
44), S.
399.
115 A. Dobslaw, Die Wiener »Quellenschriften« und ihr Herausgeber Rudolf Eitelberger von Edel-
berg. Kunstgeschichte und Quellenforschung im 19. Jahrhundert (Wiener Schriften zur Kunst-
geschichte und Denkmalpflege, Bd.
1), Berlin/München 2009.
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Title
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Subtitle
- Netzwerker der Kunstwelt
- Authors
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 562
- Category
- Biographien