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204 Timo Hagen
näheren Überprüfung im Rahmen weiterer Untersuchungen. In jedem Fall fungierte
die ›Wiener Renaissance‹ als ein Programm zur gattungsübergreifenden Förderung der
Kunstproduktion, einem von Eitelberger als besonders wichtig erachteten Zweig der
österreichischen Wirtschaft.
Teil des Eitelberger’schen Selbstverständnisses war auch eine dezidiert antifranzösi-
sche und von negativen Stereotypen über französische und romanische Mentalität ge-
prägte Haltung. Französische Architektur vom Neobyzantinismus bis zur Neorenais-
sance diente ihm wiederholt als Gegenbild zur von ihm favorisierten Baukultur, wobei
die völkerpsychologischen Zuschreibungen unabhängig vom Stil der angesprochenen
Architektur relativ konstant blieben.
Eitelbergers Streitschrift wider die ›deutsche Renaissance‹ von 1875 schließlich war
stark von einer normativen Auffassung von stilistischer Reinheit geprägt, der er hier
höheres Gewicht beimaß als nationalen Traditionen – nicht zuletzt, um so den Auf-
stieg eines Konkurrenten zu seinem Identitätsbildungs- und Wirtschaftsförderungs-
programm der ›Wiener Renaissance‹ zu verhindern.
Die Durchschlagskraft der »therapeutischen«120 Interventionen Eitelbergers im Bau-
geschehen der Habsburgermonarchie zu bewerten, bedürfte einer eigenen Studie. So
scheint es bemerkenswert, dass schon kurz nach Eitelbergers Aufsatz zur kirchlichen
Architektur von 1853 sich der aus seiner Sicht zutiefst pathologische Neobyzantinis-
mus zum Stil der Wahl unterschiedlichster nichtkatholischer Konfessionen in der ge-
samten Monarchie zu entwickeln begann. Dabei hatte sich der Autor in den 1850er
Jahren in einer Reihe von Beiträgen in den Mittheilungen der Central-Commission darum
bemüht, byzantinische klar von romanischer Architektur abzugrenzen, um eine An-
sprache romanischer Bauwerke auf dem Gebiet der Monarchie als »byzantinisch« zu
120 Mit dem Begriffspaar »diagnostisch« und »therapeutisch« charakterisiert Edwin Lachnit mögliche
Formen »der bewußten Annäherung des Kunsthistorikers an die zeitgenössische Kunst«. Während
es sich bei Ersterem um eine »objektiv konstatierende Kenntnisnahme der künstlerischen Erschei-
nungen in ihrer historischen Entwicklung« handelt, beschreibt die »therapeutische« Intervention
»ein aktives Eingreifen in das aktuelle Kunstgeschehen aufgrund eines subjektiven Kunsturteils, ei-
ner genauen Vorstellung davon, was Kunst zu leisten, welche Aufgaben sie zu erfüllen habe.« Diese
Intervention kann in Form publizistischer Vermittlung mit pädagogischem Anspruch erfolgen und
»unter Umständen in eine Bevormundung durch den Kunsthistoriker ausarten – dann nämlich,
wenn sich das wissenschaftliche Selbstverständnis einer ideologischen Überzeugung fügt und sich
der Gelehrte als Wegweiser der Kunstentwicklung versteht, der dem Schaffenden wie dem Rezi-
pienten ausschließlich gültige Normen vorgibt.« (Lachnit, Die Wiener Schule [zit. Anm. 10],
S. 8 f.). Dass letzteres auf Eitelberger, »mehr Kunstdemagoge als Kunsthistoriker« (ebenda, S. 24),
durchaus zutrifft, kann als ein Ergebnis dieses Beitrags gelten.
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Title
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Subtitle
- Netzwerker der Kunstwelt
- Authors
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 562
- Category
- Biographien