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Jindřich Vybíral
Rudolf von Eitelberger als Ideologe der Wiener
Ringstraße
Die Wiener Ringstraße stellt mit ihren Dominanten, die symbolisch den öffentlichen
Raum besetzen, ein ideales Gebilde für die Anwendung sozialhistorischer Interpreta-
tionsansätze dar. Forscher und Forscherinnen, die unterschiedliche Generationen und
methodologische Positionen vertreten, nehmen es als gesichert an, dass dieser Boulevard
Ausdruck einer bestimmten Lebenseinstellung und mit einer bestimmten Ideologie
konnotiert ist : »Sie war ein räumliches Narrativ, das die politische Macht und kulturelle
Eleganz des aufsteigenden liberalen Bürgertums widerspiegelte«, lesen wir in der 2015
veröffentlichen Publikation zum Eröffnungsjubiläum der Ringstraße.1 Dieser Zugang
hat sich besonders dank der vielfach ausgezeichneten Publikation Fin-de-siècle Vienna
des Kulturhistorikers Carl Schorske aus dem Jahr 1979 etabliert, in der es der Autor
unternahm, die Zusammenhänge zwischen österreichischer Politik und Kultur zu un-
tersuchen. Schorske charakterisierte die Ringstraße als »a visual expression of the values
of a social class«, konkret als »an iconographic index to the mind of ascendent Aust-
rian liberalism«.2 Er war felsenfest überzeugt, dass »liberal city fathers […] ›projected
their image‹ no less consciously than the managers of the Chase Manhattan Bank a
few years ago«3 und dass am Ring »the third estate celebrated in architecture the tri-
umph of constitutional Recht over imperial Macht«4. Historiker und Historikerinnen,
die mit den Umständen der Errichtung der Wiener Ringstraße vertraut sind, können
dieser Meinung nicht vorbehaltlos zustimmen. Es ist bekannt, dass die Initiative zur
Stadterweiterung nicht von den »Stadtvätern« ausgegangen ist, sondern von den Re-
präsentanten des neoabsolutistischen Staates mit dem Innenminister Alexander Bach
an der Spitze und dass die Dominanten der Ringstraße die Zentralmacht in der Stadt
manifestieren sollten.5 Die Ringstraßeninterpretation von Schorske beruht eher auf
1 H. Hakkarainen, Humor, Satire und Karikatur. Das humoristische Imaginarium der Wiener
Ringstraße, in : Vom Werden der Wiener Ringstraße (hg. von H. R. Stühlinger), Wien 2015,
S.
223–243, hier S.
242.
2 C.
E. Schorske, Fin-de-siècle Vienna. Politics and Culture, Cambridge 1979, S.
46 und S.
47.
3 Ebenda, S.
47.
4 Ebenda, S.
51.
5 H.
R. Stühlinger, Der Wettbewerb zur Wiener Ringstraße. Entstehung, Projekte, Auswirkungen,
Basel 2015, S.
239.
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Title
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Subtitle
- Netzwerker der Kunstwelt
- Authors
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 562
- Category
- Biographien