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208 Jindřich Vybíral
Assoziationen als auf Beweisen. Gleichzeitig illustriert sie eine essentialistische Position,
nach welcher Kunstwerke eine inhärente und unveränderliche Bedeutung haben und
Architektur als eine spezifische »petrifizierte Ideologie« zu deuten ist.6
Persönlich identifiziere ich mich eher mit der Meinung des amerikanischen Histo-
rikers Charles S. Maier, der bei der Analyse der urbanen Visionen des Habsburgerrei-
ches davon abrät, »stilistische Klassifizierungen nach ideologischen Kriterien vorzuneh-
men«.7 Nach Maier hatte »die Regierungsform des jeweiligen Landes […] praktisch
keinen Einfluss auf den Stil der Baudenkmäler der Gründerzeit, denn bei stilistischen
Zielsetzungen ging es nicht um Demokratie oder Monarchie«.8 Gleichzeitig muss
ich zugeben, dass auch mich lange Zeit jene Interpretationsmodelle faszinierten, nach
welchen die unterschiedlichen Architekturstile des Historismus als Zeichen horizonta-
ler und vertikaler Loyalitäten zu interpretieren sind. Ich werde daher unter der schon
angeführten methodischen Skepsis und mit der Unterstützung der publizierten Texte
Eitelbergers versuchen, eine Analyse der Wiener Stile der Ringstraßenära in einem ge-
sellschaftspolitischen und sprachlichen Zusammenhang durchzuführen, so wie es sich
Friedrich Achleitner vor Jahren gewünscht hat.9 Dazu führt mich die weit verbrei-
tete Überzeugung, dass Eitelberger nicht nur ein Kommentator der Transformation der
Wiener Architektur war, sondern auch »Sprachrohr der Staatsregierung«10 und Mitge-
stalter der österreichischen Kulturpolitik. Falls die architektonischen Formen der Ring-
straße politisch aufgeladen sind, sollten gerade seine Texte den Schlüssel dazu bieten
(Abb.
1).
Die Kernfrage, die ich zu beantworten versuche, lautet demnach : Existierte ein kau-
sales Verhältnis zwischen den politischen Ansichten Eitelbergers und seinen ästheti-
schen Präferenzen ? Vorläufig erlaube ich mir, Eitelberger als Liberalen zu charakteri-
sieren, der sich in die Dienste der politischen Restauration gestellt hat. Seine im Jahre
1848 veröffentlichen Texte zeigen seinen Glauben an die Naturrechte des einzelnen
6 J. Maran/H. Schwengel/U. Thaler, Konstruktion der Macht. Architektur, Ideologie und sozia-
les Handeln, Hamburg 2009, S.
10.
7 Ch. S. Maier, Stadt, Kaiserreich und imperiales Klima als Voraussetzung für urbane Visionen,
in : Mythos Großstadt. Architektur und Stadtbaukunst in Zentraleuropa 1890–1937 (hg. von E.
Blau/M. Platzer), München/London/New York 1999, S.
24–42, hier S.
39.
8 Ebenda, S.
29.
9 F. Achleitner, Pluralismus der Moderne. Zum architektonischen ›Sprachenproblem‹ in Zentral-
europa, in : Blau/Platzer (Hg.), Mythos Großstadt (zit. Anm.
7), S.
94–106, hier S.
97.
10 Stühlinger, Wettbewerb (zit. Anm. 5), S. 293. Vgl. G. Vasold, Alois Riegl und die Kunstge-
schichte als Kulturgeschichte. Überlegungen zum Frühwerk des Wiener Gelehrten, Freiburg im
Breisgau 2004, S.
86.
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Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Title
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Subtitle
- Netzwerker der Kunstwelt
- Authors
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 562
- Category
- Biographien