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210 Jindřich Vybíral
Der so geäußerte Gedanke des zu unterdrückenden Nationalempfindens im Namen
der Multiethnizität der österreichischen politischen Nation war jedoch nicht fester
Bestandteil seines Denkens. Seine essentielle Komponente bildete im Gegenteil der
großdeutsche Nationalismus. »Nach Deutschland hin wirft uns der Zug unserer Na-
tionalität und der Gang unserer Politik«, schrieb Eitelberger im gleichen Jahr, und in
seinem Artikel lesen wir weiter, dass »die Erhaltung Oesterreichs als Staates [sic] an
die Hegemonie des deutschen Elementes gebunden ist«.12 Später mäßigte er den Ton
seiner Deklarationen etwas, doch seine Überzeugung änderte er nicht. Auch das Jahr
1871 scheint in dieser Hinsicht kein markanter Meilenstein zu sein. Eitelberger schreibt
weiter über Künstler »deutsch-österreichischer Nation« und stellt Wien als deutsche
Stadt dar : »Daß die Kunst Wiens ein Glied der großen deutschen Kunst ist, steht außer
Frage.«13 Mit Beunruhigung beobachtete er die politische und kulturelle Emanzipation
der nichtdeutschen Völker der Habsburgermonarchie, in deren Folge »fühlt sich der
Deutsch-Österreicher in den deutsch-österreichischen Landen in seiner eigenen nati-
onalen Existenz plötzlich bedroht«.14 Es kann nicht außer Acht gelassen werden, dass
Eitelberger die Hegemonie des deutschen Volkes und die Unterordnung der anderen
Ethnien als Bedingung des Volksfriedens sah, obwohl er wiederholt in seinen Texten die
nationale Unbefangenheit verkündigte.
Eitelbergers politische Haltungen können heute als nicht ganz konsistent und durch
die Machtkonstellationen bedingt erscheinen. Die Ambivalenzen und Widersprüche,
die man nur im Kontext der geschichtlichen Ereignisse versteht, finden wir auch in
seinen Äußerungen zur Architektur des damaligen Wien. In den Artikeln, die er in
seine gesammelten Schriften aufnahm, zeigte er das Gesicht eines Liberalen und eines
Vertreters des ästhetischen Relativismus, der für eine stilistische Pluralität der zeitge-
nössischen Architektur plädierte. Aus dieser Position heraus lehnte er sowohl eine Be-
vorzugung wie auch eine Benachteiligung aller vorangegangenen Stile als Muster für
die Gegenwart ab : »Das Urtheil über die architektonische Schönheit ist nur zu einem
geringen Theile abhängig von der Werthschätzung des Stils selbst.«15 Obgleich er die
12 R. Eitelberger von Edelberg, Was hat die Kunst von den Bewegungen der Gegenwart zu hof-
fen, oder zu fürchten ? (Schluß), in : Wiener Zeitung, Nr.
106, 15.04.1848, S.
501 f.
13 R. Eitelberger von Edelberg, Die Kunst-Entwicklung des heutigen Wien. Retrospective Be-
trachtungen aus Anlass der historischen Kunst-Ausstellung der Wiener Akademie [1877], in : ders.,
Kunst und Künstler Wiens der neueren Zeit (Gesammelte kunsthistorische Schriften von Rudolf
Eitelberger von Edelberg, I), Wien 1879, S.
1–36, hier S.
30.
14 R. Eitelberger von Edelberg, Das Wiener Genrebild vor dem Jahre 1848 [1877], in : ders.,
Gesammelte kunsthistorische Schriften, I (zit. Anm.
13), S.
36–60, hier S.
47.
15 R. Eitelberger von Edelberg, Heinrich Ferstel und die Votivkirche, in : ders., Gesammelte
kunsthistorische Schriften, I (zit. Anm.
13), S.
271–348, hier S.
282.
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Title
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Subtitle
- Netzwerker der Kunstwelt
- Authors
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 562
- Category
- Biographien