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Rudolf von Eitelberger und die Wiener Bildhauerschule 231
der Kunst mehr verbreitert als vertieft und mehr Gelegenheit geschaffen fĂĽr Bildhauer,
die sich mit decorativen Aufgaben beschäftigen«.30 Die Anfangsperiode dieses Bau-
booms sei gekennzeichnet von einem ĂĽberstĂĽrzten Baugeschehen, das zu einer Vermeh-
rung der Zahl der Bildhauer fĂĽhrte, ohne das Interesse an den plastischen Kunstwerken
entsprechend zu vermehren. Die Bankenkrise von 1873 mit ihren verheerenden Folgen
zwinge zur Neubesinnung. Die Aufgabe des Staates sei es nun, die Mittel fĂĽr die Werke
der Bildhauerei zur Verfügung zu stellen, insbesondere bei den großen öffentlichen
Bauwerken, an denen die Bildhauerei verstärkt zum Einsatz kommen soll. Eitelberger
nennt das Parlament, das Burgtheater, die Hofmuseen und das Rathaus (Abb.Â
7). »Nicht
bald wird wieder so ein gĂĽnstiger Moment eintreten, die figurale Plastik zur Geltung zu
bringen.«31 Die Bildhauerkunst habe in der ersten Hälfte des 19.Â
Jahrhunderts unter der
Sparsamkeit gelitten und leide gegenwärtig unter der Finanznot. Die Rettung begreift
Eitelberger als eine zentrale Aufgabe des Staates, denn – so seine Aufforderung – »die
Zukunft dieser Kunst kann nur gesichert werden, wenn […] die Förderung […] der
Bildhauerei, nicht als eine Nebensache, sondern als eine Frage der staatlichen Cultur«
betrachtet werde.32 Eine wichtige Aufgabe hierbei sei es, »dem betheiligten Publicum
ein Interesse für die selbstständige Bildhauerkunst einzuflößen«.33 Dafür müsse das
Interesse am einzelnen Kunstwerk geweckt werden, denn »solange es dem Publicum
gleichgiltig ist, ob die Statue von dem A oder B gemacht wird, solange werden äussere
Massregeln die Bildhauerei nicht heben«.34 Seine Aussichten für die Zukunft sind ins-
gesamt positiv, denn die äußeren Verhältnisse hätten sich bereits zugunsten der Bild-
hauerei gewandelt. Nicht zuletzt wĂĽrden die humanistischen Studien an den Univer-
sitäten, die klassische Archäologie und die Kunstgeschichte die geistige Atmosphäre
schaffen, die zum Gedeihen der Plastik unerlässlich sei.
Die Kernaussagen des zweiten und dritten Teils seiner Vorlesung lassen sich folgen-
dermaĂźen zusammenfassen : Unter Kaiser Franz JosephÂ
I. hat sich die Situation fĂĽr die
Bildhauerei grundlegend verbessert. Die Wiener Bildhauerschule wurde an der Akade-
mie der bildenden KĂĽnste neu strukturiert und ist nun bestens gerĂĽstet fĂĽr die Ausbildung
der jungen Talente. Die Auftragslage leidet zwar unter der aktuellen Finanznot, aber
die staatlichen GroĂźprojekte bieten einmalige Chancen, die Bildhauer nicht nur sozial
abzusichern, sondern zu Höchstleistungen zu motivieren, insbesondere wenn das Inter-
esse des Wiener »Publicums« an dieser Kunstgattung gezielt entwickelt wird. Überspitzt
30 Eitelberger, Plastik Wiens (zit. Anm.Â
1), S.Â
21.
31 Ebenda, S.Â
29.
32 Ebenda, S.Â
30.
33 Ebenda, S.Â
27.
34 Ebenda, S.Â
29.
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Title
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Subtitle
- Netzwerker der Kunstwelt
- Authors
- Julia RĂĽdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 562
- Category
- Biographien