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Denkmalkunde 249
das wir noch nicht kennen. Das Sammeln geht der Wissenschaft immer voraus ; das ist nicht
merkwĂĽrdig ; denn das Sammeln muĂź ja vor der Wissenschaft sein ; aber das ist merkwĂĽrdig,
daß der Drang des Sammelns in die Geister kömmt, wenn eine Wissenschaft erscheinen soll,
wenn sie auch noch nicht wissen, was diese Wissenschaft enthalten wird.20
Ziel unserer beiden österreichischen Denkmalpfleger war also im Einklang mit ihren
französischen Kollegen die Erarbeitung einer übergreifenden »Monumentalgeschichte«,
einer histoire monumentale oder eben auch einer statistique monumentale. Im Wortge-
brauch der Zentralkommission verschwand der Begriff der Statistik jedoch wieder und
auch Eitelberger selbst verwendete ihn offenbar nicht. In der Folge französischer Neu-
erungen hatte sich die Statistik zunehmend von der beschreibenden zur tabellarischen
Methode entwickelt, und es ist nicht vorstellbar, dass ausgerechnet unter dem modernen
Wiener Statistiker Czoernig eine solche Verschiebung und die daraus resultierenden
Unterschiede zwischen Statistik und Denkmalerfassung nicht bemerkt worden waren.
Man könnte hier also eine langfristige Weichenstellung in der österreichischen Denk-
malinventarisation erkennen. Eitelberger suchte nun ganz offensichtlich nach einem
neuen Begriff. In seinem Leitartikel 1856 wechselt er zwischen »Wissenschaft der Al-
terthumskunde«, »systematischer« und »beschreibender Monumentalkunde«, »Monu-
mentalgeschichte« und auch »beschreibender Denkmalkunde« und ging dem statis-
tischen Dilemma mit dieser sprachlichen Vielfalt aus dem Weg. Er maĂź dem neuen
Zweig dabei den Wert einer eigenen Wissenschaft zu, wie dies Caumont mit seiner
science des monuments ebenfalls propagierte – Eitelberger verfügte über zwei der be-
kanntesten BĂĽcher Caumonts in seiner privaten Bibliothek.21 Es ist, dies sei nur am
Rande erwähnt, vermutlich die erste Verwendung für den Begriff »Denkmalkunde«, den
Tilmann Breuer seit den 1980er Jahren wieder aufgriff und zu einem äußerst weitrei-
chenden Konzept der Denkmalwissenschaften ausformulierte. Breuer fĂĽhrte ihn jedoch
auf den Leitartikel von Otto Sarrazin und Oskar HoĂźfeld in der ersten Nummer der
Zeitschrift Die Denkmalpflege von 1899 zurĂĽck und datierte ihn damit in eine Zeit, in
20 A. Stifter, Der Nachsommer. Eine Erzählung, 3Â
Bde., Pesth 1857, Bd.Â
1, S.Â
189.
21 Vgl. Eitelberger, Aufgabe der Alterthumskunde (zit. Anm.Â
9), S.Â
1 ; A. de Caumont, Cours d’An-
tiquités monumentales professé à Caen, en 1830. Histoire de l’art dans l’Ouest de la France depuis
les temps les plus reculés jusqu’au XVIIe siècle. 6 Bde. und 6 Atlanten, Caen 1830–1841, hier Bd. 4,
Architecture religieuse du Moyen Âge, 1831, S. 8. Vgl. auch Frodl, Idee und Verwirklichung (zit.
Anm.Â
2), S.Â
120. Der eigentlich sechsbändige Cours erschien 1836–1838 in einer einbändigen Neuauf-
lage der beiden Bände 4 und 5 (Architecture religieuse du Moyen Âge und Architecture militaire et
civile), der leicht verändert 1841 erneut verlegt wurde. Diesen Band besaß Eitelberger. Vgl. V. Juhel,
Bibliographie des travaux d’Arcisse de Caumont, in : Arcisse de Caumont (1801–1873). Érudit nor-
mand et fondateur de l’archĂ©ologie française (hg. von V. Juhel), Caen 2004, S.Â
392–479, hier S.Â
417.
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Title
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Subtitle
- Netzwerker der Kunstwelt
- Authors
- Julia RĂĽdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 562
- Category
- Biographien