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Denkmalkunde 255
Eitelberger
– ein Denkmaltheoretiker avant la lettre ?
Eitelberger, so können wir aus den erhaltenen Dokumenten schließen, war nicht am
administrativen Aufbau der Zentralkommission beteiligt, möglicherweise nicht einmal
übermäßig daran interessiert. Es fehlen allerdings konkrete Archivalien, um seine Posi-
tion »in Evidenz zu bringen«
– um einen Begriff aus den statistischen Büros jener Jahre
in Wien zu verwenden.36 Der bürokratische Überhang in der Besetzung der Mitglieder
der Verwaltungsbehörde ermöglichte Eitelberger jedoch eine herausgehobene Stellung
als beratende Fachinstanz – gewissermaßen außerhalb der neuen Institution für Denk-
malpflege stehend, dafür aus der ebenfalls noch jungen Disziplin Kunstgeschichte he-
raus argumentierend. Die von ihm um die Jahrhundertmitte propagierte Grundlegung
einer Denkmalkunde mit ihren Bestandteilen des Sammelns, Beschreibens und der ana-
lytischen Auswertung blieb dabei aus heutiger Sicht unkonturiert, ihre methodische
und systematische Ausarbeitung in der Wiener Kunstgeschichte wurde erst 50 Jahre
später von Riegl und Dvořák vorgenommen.
Trotz der genannten kurzen Zeitspanne nahm Eitelberger eine folgenreiche Rolle
in der österreichischen Denkmaltheorie ein, die sich an kleinen Passagen wie der um
die Wirkung der Denkmale auf den Menschen etwas genauer greifen lässt. Eitelberger
war der Meinung, das Monument sehe unterschiedslos »jeder«, es sei auch »der grossen
Masse, dem eigentlichen Volke« zugänglich, und nicht wie die Schriftzeugnisse nur den
Gebildeten. Dieser Aspekt wurde von Riegl in der Diskussion um ein Denkmalgesetz
mit seiner egalitären »Stimmungswirkung« wieder aufgegriffen :
Indem diese Stimmungswirkung keine wissenschaftlichen Erfahrungen voraussetzt, insbeson-
dere zu ihrer Befriedigung keiner durch historische Bildung erworbenen Kenntnisse zu be-
dürfen scheint, sondern durch die bloße sinnliche Wahrnehmung hervorgerufen wird und sich
darauf sofort als Gefühl äußert, glaubt sie den Anspruch erheben zu können, sich nicht allein
auf die Gebildeten, auf die die historische Denkmalpflege notgedrungen beschränkt bleiben
muß, sondern auch auf die Massen, auf alle Menschen ohne Unterschied der Verstandesbil-
dung zu erstrecken.37
Und Eitelberger schuf noch weitere Grundlagen für eine »moderne Denkmalpflege«,
ging es ihm doch auch um das Verhältnis zwischen einfachem Erinnerungszeichen,
Denkmal und Kunstwerk. Man kann hier Ansätze zu einer Unterscheidung in gewollte
36 Aus einer Rede Czoernigs, zit. in : Der statistische Kongreß in Wien (zit. Anm.
8), S.
223.
37 A. Riegl, Der moderne Denkmalkultus. Sein Wesen und seine Entstehung, Wien/Leipzig 1903,
S.
9.
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Title
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Subtitle
- Netzwerker der Kunstwelt
- Authors
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 562
- Category
- Biographien