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268 Christian Scholl
Den wenigsten scheint es durch das Studium der ganzen Kunstgeschichte (ich meine das le-
bendige Studium derselben aus Kunstwerken, nicht aus Büchern) ganz klar geworden zu sein,
was die Aufgabe des Schlachtengemäldes oder des Genrebildes ist, und wie diese Aufgabe mit
den Forderungen der Zeit durch durchgreifende, schlagende Gemälde zu lösen.43
Eitelberger steht mit dieser Position in seiner Zeit keineswegs allein da. Man kann etwa
auf Anton Springers Kritische Gedanken über die Münchner Kunst verweisen, die 1845 in
den Jahrbüchern der Gegenwart erschienen und in denen folgender Rat erteilt wird : »Die
Münchner Akademie muss fleißiger die Kunstgeschichte zur Hand nehmen, ehe sie es
wagt, den kühnen Glauben zu fassen, sie stehe auf geschichtlichen [sic !] Boden […].«44
Friedrich Theodor Vischer fordert in seiner Rezension zu Anton Hallmanns Schrift
Die Kunstbestrebungen der Gegenwart in derselben Zeitschrift von 1843 geradezu eine
Unterwerfung der neueren Kunst unter die Kunstgeschichte :
Man könnte unbeschadet der Selbständigkeit unserer ästhetischen Schöpfungen noch weit
mehr einräumen, ja fordern ; man könnte verlangen, daß unsere Maler mit ungleich mehr Ent-
sagung und Unterwerfung und ungleich längere Zeit sich in die Zucht der großen Meister des
Styls, eines Raphael, eines Mich. Angelo begeben […].45
Kunstgeschichte bietet hier nicht einfach nur Muster zur Nachahmung, sondern dient
als Gradmesser, wie sehr die Gegenwart vom künstlerischen Niveau vergangener Zeiten
entfernt sei
– ein Beleg, wie sie für aktuelle Kunst relevant zu bleiben vermochte.
Eitelbergers Vorstellung einer Qualitätssicherung durch Vergleichen schließt sich
nahtlos an die zitierten Konzepte von Springer und Vischer an. Sie fällt aber konkreter
aus, weil Eitelberger gerade über den Wiener Kunstverein daran arbeitete, dass Kunst-
werke nicht nur imaginär verglichen wurden. Hier forderte er Situationen, in denen
Bilder tatsächlich in direkte Nachbarschaft kamen und ihre visuelle Evidenz im realen
Vergleich zu entfalten vermochten.
In diesem Rahmen ging es allerdings weniger um ein Zusammenführen alter und
neuer Kunst als vielmehr darum, dass auf Ausstellungen auch qualitätvolle Werke aus
dem Ausland gezeigt werden. Dementsprechend schreibt Eitelberger in seiner Rezen-
43 R. Eitelberger von Edelberg, Ueber die Kunstausstellung. Dritter Artikel, in : Kunstblatt. Bei-
lage zu den Sonntagsblättern, XIV./Nr.
26, 28.06.1846, S.
617–621, hier S.
620.
44 A. Springer, Kritische Gedanken über die Münchner Kunst, in : Jahrbücher der Gegenwart, 3,
1845, S.
1024.
45 Fr.
Th. Vischer, Kunstbestrebungen der Gegenwart. Von Anton Hallmann, vormals Königl. Preuß.
Hofbau-Inspector. Berlin, Buchhandlung des Berliner Lesecabinets. 1842, in : Jahrbücher der Ge-
genwart, 1, 1843, S.
98.
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Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Title
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Subtitle
- Netzwerker der Kunstwelt
- Authors
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 562
- Category
- Biographien