Page - 11 - in Schachnovelle
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bemerkbar, denn dieser Mister McConnor gehörte zu jener Sorte
selbstbesessener Erfolgsmenschen, die auch im belanglosesten Spiel eine
Niederlage schon als Herabsetzung ihres Persönlichkeitsbewußtseins
empfinden. Gewöhnt, sich im Leben rücksichtslos durchzusetzen, und
verwöhnt vom faktischen Erfolg, war dieser massive Selfmademan derart
unerschütterlich von seiner Überlegenheit durchdrungen, daß jeder
Widerstand ihn als ungebührliche Auflehnung und beinahe Beleidigung
erregte. Als er die erste Partie verlor, wurde er mürrisch und begann
umständlich und diktatorisch zu erklären, dies könne nur durch eine
momentane Unaufmerksamkeit geschehen sein, bei der dritten machte er den
Lärm im Nachbarraum für sein Versagen verantwortlich; nie war er gewillt,
eine Partie zu verlieren, ohne sofort Revanche zu fordern. Anfangs amüsierte
mich diese ehrgeizige Verbissenheit; schließlich nahm ich sie nur mehr als
unvermeidliche Begleiterscheinung für meine eigentliche Absicht hin, den
Weltmeister an unseren Tisch zu locken.
Am dritten Tag gelang es und gelang doch nur halb. Sei es, daß Czentovic
uns vom Promenadendeck aus durch das Bordfenster vor dem Schachbrett
beobachtet oder daß er nur zufälligerweise den Smoking Room mit seiner
Anwesenheit beehrte - jedenfalls trat er, sobald er uns Unberufene seine
Kunst ausüben sah, unwillkürlich einen Schritt näher und warf aus dieser
gemessenen Distanz einen prüfenden Blick auf unser Brett. McConnor war
gerade am Zuge. Und schon dieser eine Zug schien ausreichend, um
Czentovic zu belehren, wie wenig ein weiteres Verfolgen unserer
dilettantischen Bemühungen seines meisterlichen Interesses würdig sei. Mit
derselben selbstverständlichen Geste, mit der unsereiner in einer
Buchhandlung einen angebotenen schlechten Detektivroman weglegt, ohne
ihn auch nur anzublättern, trat er von unserem Tische fort und verließ den
Smoking Room. ›Gewogen und zu leicht befunden‹, dachte ich mir, ein
bißchen verärgert durch diesen kühlen, verächtlichen Blick, und um meinem
Unmut irgendwie Luft zu machen, äußerte ich zu McConnor:
»Ihr Zug scheint den Meister nicht sehr begeistert zu haben.«
»Welchen Meister?«
Ich erklärte ihm, jener Herr, der eben an uns vorübergegangen und mit
mißbilligendem Blick auf unser Spiel gesehen, sei der Schachmeister
Czentovic gewesen. Nun, fügte ich hinzu, wir beide würden es überstehen
und ohne Herzeleid uns mit seiner illustren Verachtung abfinden; arme Leute
müßten eben mit Wasser kochen. Aber zu meiner Überraschung übte auf
McConnor meine lässige Mitteilung eine völlig unerwartete Wirkung. Er
wurde sofort erregt, vergaß unsere Partie, und sein Ehrgeiz begann geradezu
hörbar zu pochen. Er habe keine Ahnung gehabt, daß Czentovic an Bord sei,
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Schachnovelle
- Title
- Schachnovelle
- Author
- Stefan Zweig
- Date
- 1942
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 46
- Keywords
- Literatur, Unterricht, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik