Page - 14 - in Schachnovelle
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eine illustrierte Zeitschrift durchblätterte.
Es hat wenig Sinn, über die Partie zu berichten. Sie endete
selbstverständlich, wie sie enden mußte, mit unserer totalen Niederlage, und
zwar bereits beim vierundzwanzigsten Zuge. Daß nun ein Weltschachmeister
ein halbes Dutzend mittlerer oder untermittlerer Spieler mit der linken Hand
niederfegt, war an sich wenig erstaunlich; verdrießlich wirkte eigentlich auf
uns alle nur die präpotente Art, mit der Czentovic es uns allzu deutlich fühlen
ließ, daß er uns mit der linken Hand erledigte. Er warf jedesmal nur einen
scheinbar flüchtigen Blick auf das Brett, sah an uns so lässig vorbei, als ob
wir selbst tote Holzfiguren wären, und diese impertinente Geste erinnerte
unwillkürlich an die, mit der man einem räudigen Hund abgewendeten Blicks
einen Brocken zuwirft. Bei einiger Feinfühligkeit hätte er meiner Meinung
nach uns auf Fehler aufmerksam machen können oder durch ein freundliches
Wort aufmuntern. Aber auch nach Beendigung der Partie äußerte dieser
unmenschliche Schachautomat keine Silbe, sondern wartete, nachdem er
»Matt« gesagt, regungslos vor dem Tische, ob man noch eine zweite Partie
von ihm wünsche. Schon war ich aufgestanden, um hilflos, wie man immer
gegen dickfellige Grobheit bleibt, durch eine Geste anzudeuten, daß mit
diesem erledigten Dollargeschäft wenigstens meinerseits das Vergnügen
unserer Bekanntschaft beendet sei, als zu meinem Ärger neben mir McConnor
mit ganz heiserer Stimme sagte: »Revanche!«
Ich erschrak geradezu über den herausfordernden Ton; tatsächlich bot
McConnor in diesem Augenblick eher den Eindruck eines Boxers vor dem
Losschlagen als den eines höflichen Gentlemans. War es die unangenehme
Art der Behandlung, die uns Czentovic hatte zuteil werden lassen, oder nur
sein pathologisch reizbarer Ehrgeiz - jedenfalls war McConnors Wesen
vollkommen verändert. Rot im Gesicht bis hoch hinauf an das Stirnhaar, die
Nüstern von innerem Druck stark aufgespannt, transpirierte er sichtlich, und
von den verbissenen Lippen schnitt sich scharf eine Falte gegen sein
kämpferisch vorgerecktes Kinn. Ich erkannte beunruhigt in seinem Auge
jenes Flackern unbeherrschter Leidenschaft, wie sie sonst Menschen nur am
Roulettetisch ergreift, wenn zum sechsten- oder siebentenmal bei immer
verdoppeltem Einsatz nicht die richtige Farbe kommt. In diesem Augenblick
wußte ich, dieser fanatisch Ehrgeizige würde, und sollte es ihn sein ganzes
Vermögen kosten, gegen Czentovic so lange spielen und spielen und spielen,
einfach oder doubliert, bis er wenigstens ein einziges Mal eine Partie
gewonnen. Wenn Czentovic durchhielt, so hatte er an McConnor eine
Goldgrube gefunden, aus der er bis Buenos Aires ein paar tausend Dollar
schaufeln konnte.
Czentovic blieb unbewegt. »Bitte«, antwortete er höflich. »Die Herren
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Schachnovelle
- Title
- Schachnovelle
- Author
- Stefan Zweig
- Date
- 1942
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 46
- Keywords
- Literatur, Unterricht, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik