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darüber sprechen - die Verwaltung der Fonds einiger Mitglieder der
kaiserlichen Familie anvertraut. Diese Verbindungen zum Hof und zum
Klerus - mein Onkel war Leibarzt des Kaisers, ein anderer Abt in
Seitenstetten - reichten schon zwei Generationen zurück; wir hatten sie nur zu
erhalten, und es war eine stille, eine, möchte ich sagen, lautlose Tätigkeit, die
uns durch dies ererbte Vertrauen zugeteilt war, eigentlich nicht viel mehr
erfordernd als strengste Diskretion und Verläßlichkeit, zwei Eigenschaften,
die mein verstorbener Vater im höchsten Maße besaß; ihm ist es tatsächlich
gelungen, sowohl in den Inflationsjahren als in jenen des Umsturzes durch
seine Umsicht seinen Klienten beträchtliche Vermögenswerte zu erhalten. Als
dann Hitler in Deutschland ans Ruder kam und gegen den Besitz der Kirche
und der Klöster seine Raubzüge begann, gingen auch von jenseits der Grenze
mancherlei Verhandlungen und Transaktionen, um wenigstens den mobilen
Besitz vor Beschlagnahme zu retten, durch unsere Hände, und von gewissen
geheimen politischen Verhandlungen der Kurie und des Kaiserhauses wußten
wir beide mehr, als die Öffentlichkeit je erfahren wird. Aber gerade die
Unauffälligkeit unserer Kanzlei - wir führten nicht einmal ein Schild an der
Tür - sowie die Vorsicht, daß wir beide alle Monarchistenkreise ostentativ
mieden, bot sichersten Schutz vor unberufenen Nachforschungen. De facto
hat in all diesen Jahren keine Behörde in Österreich jemals vermutet, daß die
geheimen Kuriere des Kaiserhauses ihre wichtigste Post immer gerade in
unserer unscheinbaren Kanzlei im vierten Stock abholten oder abgaben.
Nun hatten die Nationalsozialisten, längst ehe sie ihre Armeen gegen die
Welt aufrüsteten, eine andere ebenso gefährliche und geschulte Armee in
allen Nachbarländern zu organisieren begonnen, die Legion der
Benachteiligten, der Zurückgesetzten, der Gekränkten. In jedem Amt, in
jedem Betrieb waren ihre sogenannten ›Zellen‹ eingenistet, an jeder Stelle bis
hinauf in die Privatzimmer von Dollfuß und Schuschnigg saßen ihre
Horchposten und Spione. Selbst in unserer unscheinbaren Kanzlei hatten sie,
wie ich leider erst zu spät erfuhr, ihren Mann. Es war freilich nicht mehr als
ein jämmerlicher und talentloser Kanzlist, den ich auf Empfehlung eines
Pfarrers einzig deshalb angestellt hatte, um der Kanzlei nach außen hin den
Anschein eines regulären Betriebes zu geben; in Wirklichkeit verwendeten
wir ihn zu nichts anderem als zu unschuldigen Botengängen, ließen ihn das
Telephon bedienen und die Akten ordnen, das heißt jene Akten, die völlig
gleichgültig und unbedenklich waren. Die Post durfte er niemals öffnen, alle
wichtigen Briefe schrieb ich, ohne Kopien zu hinterlegen, eigenhändig mit
der Maschine, jedes wesentliche Dokument nahm ich selbst nach Hause und
verlegte geheime Besprechungen ausschließlich in die Priorei des Klosters
oder in das Ordinationszimmer meines Onkels. Dank dieser
Vorsichtsmaßnahmen bekam dieser Horchposten von den wesentlichen
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Schachnovelle
- Title
- Schachnovelle
- Author
- Stefan Zweig
- Date
- 1942
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 46
- Keywords
- Literatur, Unterricht, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik