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Einleitung 17
Konzepte der Präsentation und Publizität
Eine wesent liche Rolle für die Sammlungsgeschichte kommt der Sichtbarmachung der
Sammlungen und der Vermittlung ihrer Inhalte zu. So lassen sich die Sammlungs- und
Ordnungsprojekte des späten 18. Jahrhunderts auch als Initiativen betrachten, in
denen das Epochenbewusstsein der Aufklärung zum Ausdruck gebracht und in den
Sammlungen anschaulich gemacht wird, die die Ideen bündeln, in die Praxis überset-
zen, verbreiten und popularisieren. Auch in diesem Abschnitt wird es weniger um die
Präsentation und Publizität der Sammlungen im Speziellen gehen, sondern um die
Popularisierung und Verbreitung von aufgeklärten Wissensformen im Allgemeinen.
Diese erfolgten in Wien abseits des klassischen Disziplinenkanons, wo man an den
Universitäten noch mehr an scholastischen Denkmethoden festhielt und weniger an
eine an den Natur-, Geschichts- und Kunstwissenschaften orientierte wissenschaft-
liche Auseinandersetzung anknüpfte und wo erst viel später, Mitte des 19. Jahrhun-
derts, die Akademie der Wissenschaften gegründet wurde. Aufgeklärte Wissens formen
wurden maßgeblich von Zeitschriften, Gelehrtennetzwerken, der Akademie der bil-
denden Künste – und eben auch von natur- und kunstwissenschaft
lichen Sammlungen
verbreitet und popularisiert.
Dem Zeitschriftenwesen wendet sich Andrea Seidler in ihrem Beitrag zu, im Beson-
deren den Gelehrten Zeitschriften, die gegen Ende der 1760er-Jahre auch in Wien all-
mählich die zuvor so populären Moralischen Wochenschriften ersetzten. Im Vergleich
zu Frankreich, Italien, England oder „Deutschland“ traten die Gelehrten Zeitschriften
in den österreichischen Erblanden mit deut lichem zeit
lichem Abstand auf. Erst ver-
spätet scheint sich das intellektuelle Klima hier soweit gewandelt zu haben, dass man
sich einer substanziellen inhalt
lichen Auseinandersetzung in wissenschaft
lichen oder
künstlerischen Belangen nicht mehr verschließen konnte. Charakteristisch für diese
Periodika ist, dass sie neben Berichten aus Naturwissenschaft und Kunst auch die
sogenannte „Critique“, d. h. Buchbesprechungen, enthielten und sich – in der Landes-
sprache gehalten, moderat im Ton und leicht handhabbares Wissen vermittelnd – an
eine breite Öffentlichkeit wandten. Überblickt man mit Andrea Seidler die Gelehrten
Zeitschriften, die zwischen 1767 und 1786 in Wien erschienen sind, dann lassen sich
mehr oder weniger drei einander kreuzende, sich überlagernde Ausrichtungen unter-
scheiden: Rezensionszeitschriften, die vorwiegend Buchbesprechungen enthielten,
Fachjournale, die sich einem speziellen Wissenschaftsbereich widmeten und Ver-
mischte Zeitschriften oder Real-Zeitschriften, die in erster Linie Essays oder
wissenschaft liche Abhandlungen publizierten, Buchbesprechungen dagegen weniger
Raum gaben. Meist überdauerten die Gelehrten Zeitschriften nur wenige Jahre. Die
Frage, warum sie nur eine so kurze Laufzeit erfahren haben, wird in der Forschung
immer wieder mit dem Mangel einer kritischen Leserschaft in Österreich beantwortet.
In den Zeitschriften selbst finden sich kaum Hinweise darauf, sondern eher das Gegen-
teil: Aus den Reaktionen der Zeitungsmacher auf das Publikum kann man auf eine
intensive Lektüre der Gelehrten Zeitschriften schließen. Auch die vermehrte Tendenz,
sich mit tagesaktuellen Ereignissen auseinanderzusetzen und diesen gleichsam ein
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Title
- Schöne Wissenschaften
- Subtitle
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Author
- Nora Fischer
- Editor
- Anna Mader-Kratky
- Publisher
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Size
- 20.9 x 29.3 cm
- Pages
- 306
- Category
- Kunst und Kultur