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56 Christa Riedl-Dorn
Die Pazifikexpedition führte von 1789 bis 1793 über die Philippinen, die Marianen,
Neuseeland und Australien an die Westküste von Nordamerika von Mexiko bis
Alaska, unterbrochen durch eine Reihe von Exkursionen ins Landesinnere, und
schließlich entlang der südamerikanischen Küste nach Lima, wo Haenke sich – wie
von Joseph II. befürchtet – von ihr trennte und weitere sieben Jahre in spanischen
Diensten weite Teile des Subkontinents in naturwissenschaft
licher, geographischer
und archäologischer Hinsicht erforschte, sich um die Rechte der indigenen Bevölke-
rung große Verdienste erwarb und vor allem im heutigen Bolivien vielseitig tätig war.
Er kehrte nicht mehr nach Europa zurück.
Die Jahre der josephinischen Alleinregierung sind für die Weiterentwicklung der
systematischen Wissenschaften, die Ordnung in die beobachteten Erscheinungen der
Natur bringen sollten, wesentlich. Besonders durch die Schriften von Carl von Linné
waren für das gesamte naturwissenschaft
liche Denken entscheidende Grundlagen
geschaffen worden. Der dadurch gewonnene Überblick erleichterte auch die prakti-
sche Anwendung der in ihrem Umfang ständig wachsenden Kenntnisse. Museen boten
die Möglichkeit, die nunmehr geordnete Vielfalt gleichsam als Norm darzulegen und
als Anschauungsmaterial den Lernenden zugänglich zu machen. Es war das Verdienst
des Kaisers, das zu erkennen und zu fördern, wobei er freilich vor allem das von seiner
Mutter übernommene Konzept sinnvoll weiterführte.
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Von 1796 bis 1802 existierte neben dem nunmehr „verstaatlichten“ Kabinett ein im
kaiser lichen Besitz stehendes „K. k. Physikalisches-Astronomisches, Kunst- und
Natur-Thier-Cabinet“ im Augustinertrakt der Wiener Hofburg. Schon 1795 war Abbé
Simon Eberle45 mit der Direktion des Physikalischen Kabinetts betraut worden. Da
damals in den für das Kabinett gedachten Räumen unterhalb des Astronomischen Tur-
mes zoologische Objekte gelagert waren, schlug Eberle vor, die astronomischen und
physikalischen Geräte einschließlich der Automaten mit der Tiersammlung zu verei-
nen. Im Jahre 1796 kam eine Sammlung an Geweihen, darunter auch Missbildungen,
sowie Steinbock- und Gämshörner hinzu, die Kaiser Franz II. (I.) von Schloss Kaiser-
ebersdorf in die Hofburg bringen ließ. Dieses Sammelsurium an physikalischen
Objekten und das im Entstehen begriffene „Thiercabinet“ sollten im Augustinertrakt
am Josefsplatz untergebracht werden, jenem Trakt südöstlich der Hofbibliothek, der
auch an den Neuen Augustinergang anschloss. Nachdem das Generalhofbauamt seine
dortigen Räumlichkeiten 1792 verlassen hatte, stand dieser Seitenflügel leer. Zudem
mussten die darin befind lichen, 1784 von Joseph II. vergebenen Naturalwohnungen
(Dienstwohnungen) für die Präfekten der Hofbibliothek und andere höhere Beamte in
den oberen Stockwerken 1796 geräumt werden. Die zahlreichen verwinkelten Räume
45 Abbé Simon Eberle, Naturwissenschaftler und Probst, wurde 1798 in den Adelsstand erhoben. Nach
seiner Versetzung in den Ruhestand eröffnete er 1802 in der Florianigasse in Wien-Josefstadt ein
Museum und eine Sternwarte.
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Title
- Schöne Wissenschaften
- Subtitle
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Author
- Nora Fischer
- Editor
- Anna Mader-Kratky
- Publisher
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Size
- 20.9 x 29.3 cm
- Pages
- 306
- Category
- Kunst und Kultur