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64 Anna Maerker
Versorgung der Untertanen. So erklärte zum Beispiel der Direktor des Wiener Allge-
meinen Krankenhauses Johann Peter Frank in der Vorrede zum dritten Band seines
einflussreichen Werkes zur medizinischen Polizei: „[…] ich wünsche nur allgemein
begreiflich zu machen: daß so, wie die Gesundheit einzelner Glieder des Staates die
allgemeine Brauchbarkeit des großen Körpers bestimmet; also auch die Leichtigkeit in
Erwerbung des benöthigten Unterhaltes, überhaupt die gute physische Beschaffenheit
der arbeitsamen Klasse, und die Dauerhaftigkeit einzelner Bürger, folglich den Werth
der Bevölkerung eines Landes, erhöhe.“10 Andererseits waren sie jedoch nicht mit den
Maßnahmen Josephs einverstanden, wo diese die Befugnisse der medizinischen Fakul-
tät einschränkten, wie zum Beispiel die Aufhebung der universitätseigenen Gerichts-
barkeit und Vermögensverwaltung. Praktische Gesichtspunkte sollten bei den josephi-
nischen Reformen im Vordergrund stehen. So wurde 1785 die Inauguraldissertation
durch eine Prüfung am Krankenbett ersetzt. Hauptsächlich die Schaffung der Position
des Protochirurgus 1783 stellte eine Provokation für Störck dar, da nun der neue
oberste Chirurg des Landes das gleiche Gehalt von 3000 Gulden pro Jahr erhielt, Lei-
ter des gesamten Militärsanitätswesens und seit 1786 erster Direktor der Josephs-
akademie wurde. Die Stärkung der Chirurgie und der Einfluss des kaiser lichen Leib-
chirurgen Giovanni Alessandro Brambilla waren in Medizinerkreisen umstritten und
verursachten Widerstand.
Joseph II. hatte schon lange ein Interesse an der Verbesserung des Gesundheits-
wesens, speziell beim Militär. So gründete er 1775 eine neue „Lehranstalt für die
Behandlung der inneren Krankheiten und zur Erlernung der Militär-Arzneimittel-
lehre“ in Gumpendorf. Die neue Anstalt sollte neben dem Handwerk auch vertiefte
Kenntnis der Medizin vermitteln. In einem Dekret von 1781 betonte Joseph: „Meine
Absicht geht keineswegs dahin, dass den Chirurgen, die hier formiert werden sollen,
nur die Oberfläche von einer jeden der angegebenen Wissenschaften beigebracht und
sie bloss mit der Kenntnis der Kunstwörter und einer übereilten und seichten Lehr
von hier abgefertigt werden. Ich will vielmehr, dass sie ihre Kenntnisse gründlich fas-
sen und mit solchen versehen zu den Regimentern zurückkehren.“ Insbesondere die
Anatomie wurde so zu einem zentralen Element chirurgischer Ausbildung. In einem
weiteren Dekret von 1784 hob Joseph die Chirurgie in denselben Rechtsstand wie die
Medizin: als freie Kunst und frei vom Zunftzwang. Da die Gumpendorfer Lehranstalt
schon bald zu klein war, wurde 1784 für eine neue Akademie ein Gebäude neben dem
Allgemeinen Krankenhaus errichtet. Die neue Josephsakademie (Josephinum), unter
der Leitung von Josephs Leibchirurg Giovanni Alessandro Brambilla, war direkt dem
Hofkriegsrat unterstellt. Das Gebäude enthielt Wohnungen für Lehrpersonal und
Angestellte, eine Sammlung chirurgischer Instrumente, eine Bibliothek, pathologische
Präparate – und die Florentiner Wachsmodelle normaler mensch licher Anatomie
(Abb. 3).
So wie die Rezeption der anatomischen Wachsfiguren am Florentiner Museum
nicht abzusehen war, so stand ihre Vorführung auch in anderen institutionellen
10 Frank 1786–1787, Bd. 3, Vorbericht, iv, vgl. Schulz 2009, 14.
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Title
- Schöne Wissenschaften
- Subtitle
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Author
- Nora Fischer
- Editor
- Anna Mader-Kratky
- Publisher
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Size
- 20.9 x 29.3 cm
- Pages
- 306
- Category
- Kunst und Kultur