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Die Bilder der Burg Karlštejn und die Erfindung(en) der Kunstgeschichte 117
1mo nicht nur eine Art von Inventur, die Zahl der Gemälde auf Brett in dasiger Kreuz-
kirche betreffend, vor, sondern auch den Grundriß und die innern vier Haupt-
wände dieser Kirche geometirsch auf. Dann gieng ich
2do zu einer richtigen Beschreibung der Materie und Figur, der Conservation und
übrigen Beschaffenheit gedachter Gemälde über; wobey in sonderheit
3tio bestimmt werden musste, was diese Gemälde vorstellen. Sodann folgten
4to ähn liche Untersuchungen mit den Wandmalereyen in den übrigen Kirchen des
mehrerwehnten Schlosses Karlstein.
Hierauf kam es
5to auf die kritische Untersuchung an, ob alle Gemälde, sowohl auf Wand als Brett
wahre Oelgemälde sind? und falls sie es sind, ob alle
6to von einer Hand herrühren? Dieß macht wieder
7mo vorläufige Nachrichten von den Künstlern nothwendig; worauf endlich
8vo vollends der Schluß mit der richtigen Bestimmung der Zeit, wenn sie eigentlich
gefertiget worden, geschiehet.
Was nun quoad 1mum die Inventur betrifft, so bekam iedes Stuck seine Nummer,
wie aus beyliegendem Risse [Abb. 1] zu ersehen; woraus nicht nur eines Theils die
Zahl der Bilder, als auch ihre Rangierung, anderen Theils dagegen die Ursache der
übernatür lichen Grösse der meisten Figuren, aus der Höhe ihres Standortes, faß licher
gemacht wird.
Um nun quoad 2dum die Materie, worauf sie gemalt, anzugeben so sind sie alle, das
Crucifix sub. Nro 1 allein abgerechnet, das größtentheils auf Pergament gemalt, und
mittelst, eines gewissen Kleisters aufs Brett aufgetragen ist, theils auf Lindenholz, wie
z. B. Nro 6. und 134., theils auf Rothbuchen, wie Nro 52 und 108. gefertigt.
Die Kreuzigung No 1, das größte Bild in der Kreuzkirche auf Brett, das ein Fünf-
eck bildet, hält sammt der flachen Rähme in der Mitte 6. Wiener Fuß 11. Zoll, zu bey-
den Seiten aber nur 5. Fuß 9. Zoll in die Höhe, und 5 Fuß 7. Zoll in die Breite. Die
Rähme ist 6. Zoll breit, und wird auch in der Folge zur Grösse der Bilder deswegen
mitgerechnet, theils weil alle Gemälde in ihre Rähmen eingelassen sind, und folglich
ihr Maaß, ohne die Rähme zu zerbrechen, nicht anzugeben, theils auch weil fast bey
allen die Malerey zum Theil auf der flachen Rähme aufsitzt.
Alle 45. Stücke in Gestalt eines Parallelogramm halten indes für sich 3. Fuß 8. Zoll
in die Höhe, und 2. Fuß 11 ½ in die Breite; woran 4. Zoll für die Breite der Rähmen,
die übrigens1 ½ Zoll dick sind, abzurechnen kömmt. Das Maaß der Uebrigen ist aus-
gedachter Zeichnung zu ersehen.
Die Gemälde mit Nro 5. 6. und 7. scheinen ehemals aus einem Altar ausgeschnitten
zu seyn; (welchen Schnitt die mit rother Tinte auf Beylage sub. L. B, gezogene Linie
andeutet) und solchergestalt mochte die Madonna sub. No 6. das Mittelstück, der
hl. Wenzel No. 5. das rechte, und der hl. Palmatius unter No 7. das linke Flügelstück
oder Thürchen abgebildet haben. In der Folge der Zeit sind diese drey Stücke, bey
Gelegenheit der Einrichtung der Kreuzkirche, ausgeschnitten, und in länglichte Vier-
ecke eingelassen worden, davon No. 6. wie No. 3., 2. Fuß 6. Zoll in die Höhe, 1 Fuß
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Title
- Schöne Wissenschaften
- Subtitle
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Author
- Nora Fischer
- Editor
- Anna Mader-Kratky
- Publisher
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Size
- 20.9 x 29.3 cm
- Pages
- 306
- Category
- Kunst und Kultur