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Die Bilder der Burg Karlštejn und die Erfindung(en) der Kunstgeschichte 121
grösse gemalt. Das Bildniß des Kaisers ist so ziemlich getroffen von Balzern in Kupfer
gebracht worden wie aus Beylage sub Lit. C. zu ersehen.
Die Nikolaikirche ist neuerdings übermalt worden, und nichts weiter darinn zu
sehen, als eine sehr alte Statue ihres Hl. Patrons, aus Holz geschnitzt.
Was quoad 5tum die Erörterung der kritischen Frage anbelanget: Ob mehrerwehnte
Gemälde wahre Oelfarben sind? so ließ ich gefliessentlich noch einmal sowohl
auf Wand als Brett von Kastnern die genaueste Untersuchung anstellen. Dem
zufolge bezog er die Malereyen mit einer Massa, die sonst auch den zähesten Firniß
auflöst, ohne iedoch die darunter befind liche Oelfarbe anzugreifen. Aber nach vielem
Peitzen und Frottiren, sogar mit harten Bürsten, spürte man weder den geringsten
Firniß geruch, noch wurden die feinsten Lasirungen der Oelmalerey angegriffen. Doch
schon diese Lasirungen, die man mit Wasserfarben nie hervorbringen kann, ia selbst
der mässige Glanz, den diese Gemälde auch nach vier Jahrhunderten besitzen, selbst
die Züge, die der Pinsel hier und da in der fetten Farbe zurückgelassen, wären
schon hinläng liche Merkmale der Oelmalerey, die sogar den schwierigsten Kenner
beweisigen könnten; wenn sie auch Kastner nicht auf eine mechanische Art untersucht
hätte.
Indessen erscheint hier die Oelmalerey immer noch in ihrer Kindheit; nicht allein
was die Behandlung des Oels mit den Farben, sondern sogar Nebensachen betrifft.
Denn in Ansehung des Erstern ist die Oelfarbe nicht nur auf einen ungleich dickern
und weicheren Kreidengrund aufgetragen, als es über hundert Jahre darauf zu Albrecht
Dürers Zeiten hergebracht war; sondern selbst das schöne Blau – ein besondere Extract
aus Kobolt, der so schön, als Ultramarin läßt – ist so schlecht mit dem Oele impastirt,
daß es allerorten, an dem Crucifix allein ausgenommen, das größtentheils auf Perga-
ment aber doch auch in Oel gemalt ist, gerissen und meistentheils nach und nach sich
abgelöset hat; woran lediglich der Mangel an Erfahrung, und an besonderen Kunst-
griffen, die Oelfarben gehörig zu behandeln, schuld seyn mag.
Und was den letzten Fall anbelangt, so ist der sogenannte Nebengrund bey allen
Stücken eigent
liche Staffiererey, die theils wie bey No 6. und 121. aus vergoldeten
Zierrathen, die aus sehr dicken und gestempelten Kreidegrunde oder aus Staniol beste-
hen, ia sogar hin und her aus Zinn, wie bey No. 30. gegossen sind; und damit ist nicht
nur ausser den Contouren der Gemälde der ganze Grund über und über verziert; son-
dern sogar die reichen Stoffe, Zepter und Kronen, Schilder und Schilde, Schwerter,
Panzer, Bischofshauben und ihre Stäbe u. m. dgl. sind in diemeisten Gemälde hinein-
staffirt, und hier und da auch gravirt.
Nun kömmt es noch quoad 6tum auf die Entscheidung der Frage an: Ob alle
Gemälde zu Karlstein, auf Brett und Wand von einer Hand herrühren? Das war mei-
ner und Kastners Meynung, bevor und gestattet ward, diese Gemälde in der Nähe zu
betrachten; als ich aber bey gegenwärtiger Untersuchung an verschiednen Orten selbst
die Leuter in der Absicht bestiegen hatte, umb Wurmsers Namen, oder ein Mono-
gramm, oder die Jahreszahl, wenn diese Gemälde gefertiget worden, zu finden: da fand
ich die sub. L. D. beygelegte Unterschrift unter der Madonna mit No. 6. bezeichnet
[Abb. 2]; aber ganz unerwartet einen anderen Meister darauf. Sie heißt:
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Title
- Schöne Wissenschaften
- Subtitle
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Author
- Nora Fischer
- Editor
- Anna Mader-Kratky
- Publisher
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Size
- 20.9 x 29.3 cm
- Pages
- 306
- Category
- Kunst und Kultur