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Joseph von Sonnenfels und die Publizität der bildenden Kunst 151
Themen zuzuweisen.37 Die bildende Kunst spielt in der Realzeitung eine nur unterge-
ordnete Rolle. Gleichwohl kommt in den zahlreichen Beiträgen sowie in den dort
abgedruckten Rezensionen historiographischer und kunstwissenschaft licher Bücher
deutlich zum Ausdruck, dass sich die Herausgeber intensiv für die Förderung von
Künstlern und Kunstschulen einsetzten und die als nützlich angesehenen Funktionen
von Kunst für Gesellschaft und Staat – sowohl als Wirtschaftsfaktor als auch als Mittel
zur Allgemeinbildung sowie zur Verbesserung der Moral – propagierten. Zugleich ist
aus den einschlägigen Beiträgen die Notwendigkeit abzulesen, praktische Kunstförde-
rung durch Publikationen und Forschungen zu unterstützen, indem die Leser ver-
mehrt über aktuelle kunsttheoretische Schriften informiert werden sollten. Mehrfach
wies man – und hier trug Sonnenfels’ Credo in Bezug auf die Nobilitierung der Por-
trätmalerei offenbar reiche Früchte – die Leser der Realzeitung auf neu geschaffene
Porträts, Gemälde oder Reproduktionsstiche hin und ermunterte sie gelegentlich
auch, selbst Porträts in Auftrag zu geben. Diese konkrete Aufforderung zur Förde-
rung künstlerischer Aktivitäten richtete sich sowohl an Adelige als auch an die an
Bedeutung gewinnenden bürger
lichen Kundenschichten, die sich ihrem gesellschaft-
lichen Selbstverständnis gemäß jetzt ebenfalls bildlich verewigen ließen. Analog wan-
delte sich die generelle Funktion der Porträtkunst verstärkt vom traditionellen, stän-
disch-repräsentativen hin zum bürgerlich-aufgeklärten Bildnis,38 von dem prominente
Aufklärer und Kulturpolitiker wie Franz Christoph von Scheyb39 sogar forderten,
dass es nach Möglichkeit die geistige Vorbildhaftigkeit oder die konkreten Verdienste
des Porträtierten wie Tugenden, guten Charakter oder moralisches Handeln anschau-
lich vergegenwärtigen sollte. Damit geriet das Porträtfach in gleichsam natür
liche
Konkurrenz zu zeitgenössischen Historienbildern mit mythologischer oder
zeitgeschicht licher Ausrichtung, wie sie etwa von Jacques-Louis David geschaffen
wurden.
Hinter der faktischen oder angestrebten staat
lichen Förderung von bildender
Kunst stand einerseits ein ökonomisches Interesse, auch in den scheinbar peripheren
Tätigkeitsfeldern von Kunst und Gewerbe eine positive Handelsbilanz erzielen zu
können, um – auf der Basis der Anwendung merkantilistischer Prinzipien – den
wirtschaft
lichen Wohlstand des Landes entsprechend vermehren zu können. Anderer-
seits war man durch solche Maßnahmen verstärkt imstande, die Ausprägung einer
gleichsam offiziellen, zunehmend klassizistisch geprägten Kunst voranzutreiben und
einen „Nationalgeschmack“40 zu schulen, auch wenn sich der österreichische Klassi-
zismus seit dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts in Typus und Stil gerade nicht
37 Vgl. Frank 1953; Rosenstrauch-Königsberg 1986.
38 Detailliert in Bezug auf die europäische Situation: AK Aufgeklärt bürgerlich 2006.
39 Grundlegend: Tuma 1975.
40 „Unter Nationalgeschmack verstehe ich, daß wir uns selbst Vorschriften machen, das Schöne und
nütz liche nach eigner Auswahl zusammenzusetzen, selbst beobachten, selbst denken und fühlen, und
durch Fremde uns nichts aufheften lassen. Dann werden wir zwar die Statuen und Architekturen der
besten römischen und griechischen Zeiten gleich den Engländern beybehalten, aber gewiß auch die
geschmacklosen sinesischen Pavillons und Brücken aus unseren Gärten verweisen.“ (Beyer 1784, 9.)
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Title
- Schöne Wissenschaften
- Subtitle
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Author
- Nora Fischer
- Editor
- Anna Mader-Kratky
- Publisher
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Size
- 20.9 x 29.3 cm
- Pages
- 306
- Category
- Kunst und Kultur