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Anna Mader-Kratky
Die Gründung der Oberhofbaudirektion und die Etablierung
länderübergreifender Baunormen im habsburgischen Bauwesen
²
„Lieber Graf v. Kaunitz! Da Ich allhier eine Ober Bau=Direction für alle Länder die
für alle Ca[mer]al, und ofent liche Gebäude, und Wasser=Arbeiten die Aufsicht tragen
soll, unter ihren Vorsitz anzuordnen beschlossen habe, so werden sie […] ihrerseits
alles mög liche dazu beitragen, damit diese Sache in Ordnung komme, und mit den
14 Nov. d. J. [1783] ihren Anfang nehmen könne. Sie werden dieses als einen neüen
Beweiß meines in Sie sezenden Vertrauens, und daß sie durch diese neüe Anstellung
dem Staat in allgemeinen nüz liche Dienste leisten können, ansehen.“1
Mit diesen Worten setzte Kaiser Joseph II. den Leiter des kaiser lichen Hofbau-
amtes, Ernst Christoph Graf Kaunitz-Rietberg, am 14. Juli 1783 davon in Kenntnis,
dass alle öffent lichen Bauführungen in der Habsburgermonarchie künftig zentral von
Wien aus zu lenken seien. Zu diesem Zwecke war der Kaiser gewillt, die Oberhofbau-
direktion (später auch als Generalhofbaudirektion bezeichnet) als neue zentralistische
Behörde ins Leben zu rufen.2 Damit entwickelte sich das kaiser liche Hofbauamt, das
seit dem späten 15. Jahrhundert ausschließlich für den Bau und die Instandhaltung der
landesfürst lichen Gebäude in und rund um die Residenzstadt Wien verantwortlich
zeichnete,3 von einer reinen Hofbehörde zu einer dem Staat dienenden Einrichtung,
und der Generalhofbaudirektor wandelte sich vom Fürstendiener zum Staatsdiener.4
Diese Neuorganisation des Bauwesens in den Erblanden ist als Teil einer Modernisie-
rung und grundlegenden Umgestaltung des habsburgischen Verwaltungsapparates zu
sehen, die Joseph
II. mithilfe eines strengen Zentralismus zu realisieren trachtete.5 Drei
Konstanten bestimmten dabei den Reformwillen des Kaisers – Kostenreduktion, die
Schaffung von Synergien und Effizienzsteigerung. Dieses klare Votum formulierte er
in einer an seinen Bruder Leopold adressierten Denkschrift (Tableau Général, 1767),
in der Joseph II. zwei Jahre nach seiner Thronbesteigung erstmals umfassend Bilanz
1 Handbillet Josephs II. an Ernst Christoph Graf Kaunitz-Rietberg vom 14. Juli 1783; Wien, HHStA,
HA, HBA, K. 57, fol. 448 (Currentprotokoll des Hofbauamts von Juli 1783, Nr. 64).
2 Zur Gründung der Oberhofbaudirektion erstmals Benedik 1996 und Springer 1996.
3 Einen Überblick zur Geschichte des Hofbauwesens bieten Pohl 1968; Benedik 2008; Karner 2014,
448–461 (Markus Jeitler); Lorenz / Mader-Kratky 2016, 247–251 (Manuel Weinberger) und 252–259
(Anna Mader-Kratky); Mader-Kratky 2016; dies. 2017; Jeitler / Kalousek / Mader-Kratky /
Wein
berger 2019.
4 Vgl. dazu auch Heindl 2013, 28, 64–65.
5 Seine Vorstellungen von einer zentralistisch organisierten, effizienten Verwaltung skizzierte Joseph II.
bereits vor seinem Regierungsantritt 1765 in mehreren Denkschriften; Plattner 2008, 54–61.
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Title
- Schöne Wissenschaften
- Subtitle
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Author
- Nora Fischer
- Editor
- Anna Mader-Kratky
- Publisher
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Size
- 20.9 x 29.3 cm
- Pages
- 306
- Category
- Kunst und Kultur