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156 Anna Mader-Kratky
über alles bislang Erreichte zieht und die Weichen für die Zukunft stellt.6 Dieser vom
Kaiser gewünschten Neuordnung des öffent
lichen Lebens und der damit einhergehen-
den Bürokratisierung der Habsburgermonarchie soll im Folgenden anhand der Grün-
dung der Oberhofbaudirektion 1783 exemplarisch nachgegangen werden, wobei auch
nach der Praxistauglichkeit der auf dem Reißbrett entworfenen Reformen zu fragen
sein wird.
Vom Hofbauamt zur Oberhofbaudirektion
Seit dem späten 15. Jahrhundert lag die Zuständigkeit für alle landesfürst
lichen
Gebäude in und rund um Wien beim kaiser lichen Hofbauamt, das neben der Hofburg
als kaiser
licher Residenz auch die Schlösser Kaiserebersdorf, Neugebäude, Laxenburg,
Schönbrunn (vormals Katterburg) und die Burg in Wiener Neustadt zu betreuen hatte.
Die Baubehörde unterstand damals dem Vizedomamt unter der Enns, und seit dem
16. Jahrhundert etablierten sich beamtete Stellen wie jene des Baumeisters der nieder-
österreichischen Lande, der die einzelnen Bauplätze koordinierte. Aufgrund unklarer
Zuständigkeiten (das Vizedomamt war seinerseits der Niederösterreichischen Kam-
mer unterstellt) und infolge von Interventionsversuchen unterschied licher Seiten
(etwa durch das Obersthofmeisteramt, dem die Hofkünstler direkt unterstanden) kam
es im Hofbauwesen zu Kompetenzstreitigkeiten, weshalb die Bestellung von
Gundacker Graf Althann zum ersten Generalbaudirektor aller Hof-, Zivil-, Lust- und
Gartengebäude 1716 als Versuch Kaiser Karls VI. zu einer grundlegenden Neuord-
nung der Baubehörde zu werten ist. Althann war nicht nur bestrebt, das Hofbauamt
straffer zu gliedern, sondern verfolgte auch das Ziel, das gesamte Bauwesen in den
Erblanden unter seine Verantwortung zu bringen.7
Diesen Zentralisierungsvorstellungen wurde spätestens mit dem Regierungsantritt
von Karls Tochter und Nachfolgerin Maria Theresia (1740) ein Ende gesetzt, als das
Wiener Hofbauamt mit der Errichtung und Unterhaltung der landesfürst lichen
Gebäude in und um die Residenzstadt wieder auf seine ursprüng lichen Agenden
zurückgeführt wurde.8 Gefordert war die Baubehörde in den kommenden Jahrzehn-
ten vor allem durch den Ausbau der maria-theresianischen Sommerresidenz Schön-
brunn, die großzügig erweitert und ausgestattet wurde und einen weitläufigen Schloss-
park mit Parkbauten und Skulpturenschmuck erhielt. Durch diese kostspielige Ausge-
staltung von Schloss und Garten nahm die Schuldenlast des Hofbauamtes, das sich
bereits zu Beginn der maria-theresianischen Regierung in einer finanziell prekären
Situation befunden hatte, bedrohlich zu, was unweigerlich zu Konflikten mit der Hof-
kammer als Zentralfinanzbehörde des Wiener Hofes führte. Zahlreiche Reformversu-
che zeugen von der Absicht Maria Theresias, ihrer Baubehörde eine klare Struktur zu
6 Wien, HHStA, HausA, Sammelbände 88–2. Zu der Denkschrift vgl. Beales 2008, 190–191; Plattner
2008, 58–59; zuletzt Kubiska-Scharl / Pölzl 2018, 91–93 (Irene Kubiska-Scharl).
7 Lorenz / Mader-Kratky 2016, 250 (Manuel Weinberger).
8 Benedik 2006; Lorenz / Mader-Kratky 2016, 252–259 (Anna Mader-Kratky).
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Title
- Schöne Wissenschaften
- Subtitle
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Author
- Nora Fischer
- Editor
- Anna Mader-Kratky
- Publisher
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Size
- 20.9 x 29.3 cm
- Pages
- 306
- Category
- Kunst und Kultur