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Die Etablierung länderübergreifender Baunormen im habsburgischen Bauwesen 159
Die Wiener Beamten rief der Kaiser zu einer gründ lichen, aber geschwinden Beurtei-
lung aller Bauprojekte aus den Ländern auf.17
Ein wesent licher Faktor der Bürokratisierung des josephinischen Behördenappa-
rats war die Schaffung geregelter Arbeitsplätze durch die gezielte Etablierung von
Kanzleien.18 Auch die im November 1783 ins Leben gerufene Oberhofbaudirektion
musste ihre bisherigen Räumlichkeiten im „Haus auf der Bastei“ räumen und erhielt
in einem Trakt der Wiener Hofburg nahe der Hofbibliothek neue Büros und eine
Kanzlei.19 Bislang hatten die Hofarchitekten keine eigenen Arbeitsräume besessen,
sondern waren angehalten, ihre Hofquartiere (Dienstwohnungen) als solche zu nut-
zen, in denen untertags auch die ihnen zugeteilten Hofbauamtszeichner unterzubrin-
gen waren, was mitunter zu großer Platznot führte.20 Doch durch die Aufhebung des
Hofquartierwesens (1780/1781), das bürger liche Hausbesitzer dazu verpflichtet hatte,
einen Teil ihrer Häuser als Wohnraum für Hof- und Verwaltungspersonal zur Verfü-
gung zu stellen,21 und durch die Einrichtung von Amtsgebäuden mit Kanzleien und
Büros verlagerte sich die Tätigkeit der Hofbeamten an einen vom Hof zur Verfügung
gestellten Arbeitsplatz mit geregelten Arbeitszeiten.22 Es mag kein Zufall sein, dass die
Oberhofbaudirektion ihr neues Quartier im sogenannten Augustinertrakt der Wiener
Hofburg erhielt und damit Teil eines sich rund um den Josefsplatz etablierenden
Sammlungs- und Wissenschaftsraumes wurde.23
Standardisierte Kommunikation
Zur Vereinfachung und Beschleunigung anstehender Bauprojekte ließ Joseph II. für
diverse Bauaufgaben (Pfarrkirchen, Wirtschaftsbauten, …) Musterpläne entwickeln,
die sich an Parametern wie der Einwohnerzahl orientierten – bei der Größe von Pfarr-
kirchen wurde etwa ein Quadratklafter pro vier Einwohner als Maßstab herangezogen
(Abb. 1). Die in Wien entworfenen Musterpläne wurden in großer Zahl kopiert und
zum Teil auch in Kupfer gestochen, sodass sie in den Ländern rasch zur Verfügung
gestellt werden konnten.24 Gleichzeitig mit der Entwicklung dieser Musterrisse wurde
auch das architektonische Darstellungsverfahren in allen Baubüros standardisiert, um
die Lesbarkeit von Architekturzeichnungen über einzelne Länderbaustellen hinaus zu
gewährleisten.
17 Allerhöchste Resolution vom Oktober 1783; Wien, HHStA, HA, HBA, K. 58, fol. 155r–157v.
18 Plattner 2008, 73.
19 Wien, HHStA, HA, HBA, K. 61, fol. 754v und fol. 997v.
20 Mader-Kratky 2017, 75–76.
21 Kubiska-Scharl / Pölzl 2018, 186–196 (Irene Kubiska-Scharl).
22 Heindl 2013, 245–252.
23 Vgl. dazu den Beitrag von Elisabeth Hassmann in diesem Band.
24 Mehrere Serien dieser Musterrisse haben sich in der Plansammlung des Allgemeinen Verwaltungs-
archivs erhalten: Wien, AVA, Plansammlung I, Mappen 632–635; der erstmalige Hinweis auf diese
Planserien findet sich bei Springer 1996, 78–82.
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Title
- Schöne Wissenschaften
- Subtitle
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Author
- Nora Fischer
- Editor
- Anna Mader-Kratky
- Publisher
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Size
- 20.9 x 29.3 cm
- Pages
- 306
- Category
- Kunst und Kultur