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164 Anna Mader-Kratky
bereithielt wie Anleitungen zur Errichtung von Dachböden oder zur Anbringung von
Baugerüsten (Abb. 2).37
Die Schaffung einer vereinheitlichten bürokratischen Sprache war eine der wesent-
lichen Maßnahmen josephinischer Verwaltungsreformen und betraf den gesamten
habsburgischen Beamtenapparat. Dahingehende Entwicklungen seit Mitte des
18.
Jahrhunderts, die in einer Standardisierung der Rechtssprache ihren Ursprung nah-
men, griff Joseph II. gezielt auf und drängte auf eine rasche Normierung des Schrift-
verkehrs in den Amtsstuben. An der Theresianischen Akademie (Theresianum)
gehörte die „deutsche Sprache als Verwaltungssprache“ neben den „Kameral- und
Polizeywissenschaften“ in der Ausbildung angehender Beamter bereits seit 1750 zu
den Unterrichtsgegenständen, und 1784 erschien das Lehrbuch Über den Geschäfts-
stil. Die ersten Grundlinien für angehende österreichische Kanzleybeamten von Joseph
von Sonnenfels.38 Nach Sonnenfels’ eigenen Worten entstand diese Schrift in direkter
Reaktion auf eine Verordnung Josephs II., in der er seine Beamten zur Vermeidung
unnützer „Schreibereyen“ und zum Verzicht verzierender Schnörkel aufgerufen hatte,
um den behörd lichen Schreibprozess zu beschleunigen. Diese Verordnung vom
3. Jänner 1783 machte Joseph II. den Leitern aller Hofbehörden – darunter auch
Generalhofbaudirektor Ernst Christoph Graf Kaunitz-Rietberg39 – in Handbillets
bekannt. Zu seinem Bedauern musste Sonnenfels jedoch beobachten, dass die 1783
erlassene Verordnung gegenüber der bislang geübten Praxis zu wenig Berücksichti-
gung fand, weshalb ihm die erstmalige Publikation eines entsprechenden Lehrbuchs
über die Amtssprache notwendig erschien.40 Was Sonnenfels an dieser Stelle
verschweigt, ist sein bereits länger zurückliegendes Engagement für eine Verwaltungs-
sprachreform und einen einheit
lichen Geschäftsstil; seit 1781 hielt er eigene Vorlesun-
gen zu diesem Thema an der Universität Wien.41
Die einleitenden Kapitel seines Lehrbuchs zum Geschäftsstil übertitelt Sonnenfels
mit jenen Leitbegriffen, die ihm bei der Schaffung einer einheit lichen und somit allge-
mein verständ
lichen Amtssprache vorrangig schienen – Sprachrichtigkeit (im Sinne
einer korrekten Rechtschreibung), Deutlichkeit, Kürze und Anstand: „Die Sprache
des Niedern an den Höhern muß also, nach dem Masse des Abstands, ehrerbietig
seyn! Die von Gleichen an Gleiche soll Achtung, die von Höheren an Niedere, aber-
mal nach Masse des Abstandes, Würde zeigen!“42 Hinter diesem Wunsch nach sprach-
licher Standardisierung stand aber auch das Bestreben Josephs II., Deutsch als alleinige
Amtssprache in den Erblanden zu etablieren, wobei sich diese Forderung nicht nur
gegen das in Ungarn üb liche Latein richtete, sondern auch französischsprachige
Hofbeamte betraf. So war im kaiser
lichen Hofbauamt bereits 1773 der Versuch
37 Zu den Erläuterungen „Von den Gerüstungen“ vgl. ebenda, 306–314.
38 Megner 2010, 188–194.
39 Wien, HHStA, HA, HBA, K. 55, fol. 221 (Currentprotokoll des Hofbauamts von Jänner 1783,
Nr. 8).
40 Sonnenfels 1785, „An meine Leser“, o. S.
41 Plattner 2008, 73–74; Karstens 2011, 227–231.
42 Sonnenfels 1785, 69.
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Title
- Schöne Wissenschaften
- Subtitle
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Author
- Nora Fischer
- Editor
- Anna Mader-Kratky
- Publisher
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Size
- 20.9 x 29.3 cm
- Pages
- 306
- Category
- Kunst und Kultur