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166 Anna Mader-Kratky
beitrugen. Auf lokale Bautraditionen oder individuelle Lebensweisen wurde dagegen
keine Rücksicht genommen, und auch die Betroffenen besaßen kein Mitspracherecht
im Planungsprozess.49 Die nach einem einheit lichen Schema verfassten Musterpläne
erhoben die Wirtschaftlichkeit zur obersten Doktrin; ein Maßstab, der an alle Bauty-
pen – vom Kolonistenhaus bis zur Pfarrkirche („nicht zu prächtig und mit unnützem
Zierrath überhäuffet“)50 – gleichermaßen angelegt wurde.
Das Bauwesen im Banat war zentral organisiert und unterstand direkt der Hof-
kammer in Wien. Alle Planungen der verantwort lichen Provinzialingenieure mussten
zur Genehmigung bei der Hofkammer eingereicht werden und wurden dort vom
damaligen ungarischen Hofkammerarchitekten Franz Anton Hillebrandt weniger
nach ästhetischen als vielmehr nach bautechnischen und ökonomischen Gesichts-
punkten geprüft, womit die Bautechnik sowie die Baukalkulation die Oberhand über
die „Bauschönheit“ erlangten. Diese rein aus einem wirtschaft lichen Blickwinkel
erdachte Vorgehensweise besaß für die weitere Entwicklung des habsburgischen Bau-
wesens durchaus modellhaften Charakter.
Die Reformen der Reform
Die Verpflichtung, seit 1783 ausnahmslos alle Bauprojekte aus den Erblanden zur
Freigabe in die Oberhofbaudirektion in Wien zu übersenden, zeigte schon bald ihre
Konsequenzen: Die Verantwortlichkeit von Oberhofarchitekt Franz Anton
Hille brandt und seinen Mitarbeitern verschob sich von planenden Architekten in
Richtung prüfender Bauaufseher, die sich aus der Vielzahl an angetragenen Bauplänen
nicht mehr heraussahen. In Unkenntnis der einzelnen Bauplätze konnten sie ihr Urteil
ausschließlich auf Basis der vorgelegten Unterlagen abgeben, weshalb sie wiederholt
Situationspläne einforderten, die ihnen die geplanten Bauführungen zumindest im
Verhältnis zu den umliegenden Gebäuden und Straßenzügen veranschau lichen sollten.
Auch das große Interesse Josephs II. für diverse Baustellen in den Kronländern erleich-
terte die Situation nicht, sondern führte regelmäßig zu Konflikten mit Bausachver-
ständigen, wenn sich der Kaiser in Planungen jeg licher Gattung korrigierend ein-
brachte – sei es bei der Umgestaltung von Sakralräumen wie jenem der Hofkirche
St. Augustin in Wien oder bei einer projektierten Schleuse an der Donau.51 In allen
Fällen drängte Joseph II. auf eine rasche Umsetzung seiner Ideen und trieb die Betei-
ligten stets zur Eile an. Die Landesbaubüros standen wiederum vor dem Problem, dass
49 Ebenda, 14–18; Springer 1996, 76–77; Benedik 2010a, 202–203.
50 Zit. nach Springer 1996, 77.
51 Zu Josephs Interventionen bei der Umgestaltung der Augustinerkirche vgl. Lorenz / Mader-Kratky
2016, 439 (Anna Mader-Kratky). Aufgrund latenter Hochwassergefahr im Bereich der Brigittenau
(nördlich von Wien) sah die Oberhofbaudirektion im März 1786 die Errichtung einer Schleuse an der
Donau vor; von den Plänen konnte sich der Kaiser aber „nicht ganz überzeugn“, „so nutzbar auch
die Ausführung wäre“, zit. ein Handbillet Josephs II. an Generalhofbaudirektor Ernst Christoph
Graf Kaunitz-Rietberg vom 4. März 1786; Wien, HHStA, KA, KK, Protokolle und Indizes, Bd. 40,
Nr. 181. Zum weiteren Verlauf der Angelegenheit vgl. ebenda, Nr. 190, 210, 232.
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Title
- Schöne Wissenschaften
- Subtitle
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Author
- Nora Fischer
- Editor
- Anna Mader-Kratky
- Publisher
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Size
- 20.9 x 29.3 cm
- Pages
- 306
- Category
- Kunst und Kultur