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Markus Krajewski
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Wie ordnet sich Habsburg? Beschränkt man diese (über-)große Frage auf die Zeit des
frühen Josephinismus und der späten Regentschaft von Maria Theresia, so lassen sich
zwei vermeintlich gegenläufige Momente ausmachen, die in der Zeit um 1780 eine
ebenso große wie weitreichende Innovationswirkung entfalten: Einerseits zeigt sich
im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts ein gesteigertes Interesse an der Erfassung und
Lokalisierung einzelner Individuen, das sich in neuen Konzepten von ört
licher Fixie-
rung und Adressierung des Einzelnen niederschlägt.1 Andererseits entwickelt sich sei-
tens der Verwaltung eine Flexibilisierung der Handhabung dessen, was zugleich fixiert
werden soll. Der Text zeichnet die Genese beider Momente, einer Stillstellung des
Ephemeren sowie einer administrativen Beweglichkeit des Festgehaltenen, in dieser
Zeit des historischen Umbruchs anhand von zwei einschlägigen Beispielen, der
Häusernummerierung in Wien und dem bibliothekarischen Zettelkatalog der Hof-
bibliothek, nach.
Hinwendung zur Stillstellung – Adressen und Hausnummern
Am Heiligabend des Jahres 1770 ergeht ein Hofdekret ihrer Majestät Kaiserin Maria
Theresia an die Adresse des Bürgermeisters von Wien. Die Regentin verfügt, „die
Nummern an den Häusern bey Strafe von 9
fl kenntlich und sichtbar zu machen“.2 Die
Rede ist von den sogenannten „Conscriptionsnummern“, die der Registrierung der
gesamten männ lichen Bevölkerung dienen und eine vollständige Erfassung jener
Mann-Schaft erlauben sollen. Nachdem sich bei der bisherigen Umsetzung dieses Ver-
waltungsakts jedoch „Unzukömmlichkeiten“ zeigten, setzt der Bürgermeister gemäß
ihrer Majestät Entschluss nunmehr auf Transparenz. Seine Anweisung an den Rat der
Stadt vom Dreikönigstag 1771 verlangt, im Zuge der „allgemeinen Seelen- und Haus-
Conscription“ nicht nur die „von aussen bemerkten Numerum“ auszuweisen, son-
dern diese ebenso „inwendig in dem Hause kenn- und sichtbar“ anzubringen.3 Dieses
allerhöchste Weihnachtsgeschenk bezweckt, alle potenziellen k. k.
Soldaten ausnahms-
los in die Rekrutierungslisten einzuschreiben.
Das derart geordnete Gassen- und Menschengewimmel erweist sich jedoch als
unerwartet dynamisch. Als Orientierung im Wiener Gewirr der Gassen hilft vor der
ersten Nummerierung – auch für die Verwalter der Conscriptions-Kataloge, die mit
dieser Erfassung der Wehrpflichtigen eine der ältesten nachzuweisenden Katalogarten
1 Vgl. auch Krajewski 2017, 37–63.
2 Zit. nach Hempel-Kürsinger 1826, 410.
3 Wien, WStLA, Patente, H 45/1771, Kundmachung des Bürgermeisteramtsverwalters und Rats der
Stadt Wien, 7. Jänner 1771; zit. nach Wohlrab / Czeike 1972, 334.
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Title
- Schöne Wissenschaften
- Subtitle
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Author
- Nora Fischer
- Editor
- Anna Mader-Kratky
- Publisher
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Size
- 20.9 x 29.3 cm
- Pages
- 306
- Category
- Kunst und Kultur