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Wie ordnet sich Habsburg? Stillstellung und Beweglichkeit um 1780 171
Buchstaben auf die näm
liche Art, wie die Conscribtions Numern an die Mauer der
Name derselben angeschrieben werden solle.“10
Mit vollständigen Adressen aus Straßennamen und Hausnummern sind endlich die
Raster über die Stadt gelegt, die Standorte und Zugriffspfade auf die Wehrdienstpflich-
tigen eindeutig festhalten. Aber auch alle übrigen Personengruppen der kaiserlich-
könig lichen Untertanen, die sich in stetiger Bewegung befinden, sind damit erschlos-
sen und adresstechnisch stillgestellt. Ein administratives Netz spannt sich über die
Stadt, dem zu entgehen nun ungleich schwieriger geworden ist. Mit der Fixierung der
Untertanen geht zugleich eine Flexibilisierung der Verwaltung einher, deren Aus-
gangspunkt allerdings nicht im Conskriptionsbüro zu suchen ist; vielmehr ist es die
Bibliothek, die sich als verwaltungstechnisches Testgelände profiliert, um auf die
Bewegung der Bücher seinerseits mit einer beweg lichen Administration zu reagieren.
Beweglichkeit der Bruchstücke – Daten im Fluss
Die Problemstellung in der Erfassung der Wehrpflichtigen ist durchaus mit der alten
Problematik der Bibliothek vergleichbar. In beiden Fällen stellt sich die Frage, wie mit
den ebenso mobilen wie flüchtigen Elementen – Rekruten oder Büchern – umzugehen
ist. Es verwundert daher wenig, dass auch die jeweiligen Lösungen auf ein gemein-
sames Prinzip zurückgreifen. Es gilt, den Standort mithilfe einer eindeutigen Adresse
zu fixieren: „Der Zweck der Standortsbezeichnung ist eindeutig und vordringlich: das
rasche Finden und Zurückstellen eines gebrauchten Buchs zu gewährleisten und dann
in einer Bestandsrevision sein Vorhandensein zu bestätigen.“11 Sowohl im Kriegs- wie
im Buchwesen unterliegen die jeweiligen Einheiten hohen Fluktuationen. Bücher wie
Rekruten müssen unentwegt als Neuzugang und ebenso unentwegt als – trauriger –
Kriegsverlust12 präzise und zuverlässig registriert – und damit auch adressiert werden
können: „So nimmt die Signatur vom Standort ihren Ausgang.“13 So wie die Conscrip-
tions-Nummerierung den mög lichen Standort des jeweiligen Rekruten lokal fixieren
soll, weist die Signatur des Buchs idealerweise die Adresse seines regulären Aufent-
halts aus. Kaum überraschend, dass die neuere Bibliotheksverwaltung, sofern sie die
heterogene und oftmals gegenstrebige Entwicklungsgeschichte der Signatursysteme
zu umreißen versucht, sich der Analogie zur schlechterdings effizienten postalischen
Adressierung bedient.14
10 Wienbibliothek im Rathaus, Niederösterreich. Landesregierung: Circulare und Kreisschreiben
1725–1849, Circulare der niederösterreichischen Regierung „An die von Wien“, 9. September 1782;
zit. nach Wohlrab / Czeike 1972, 338. Vgl. als aktuelle und auch medienhistorisch detaillierte Analyse
der Geschichte der Hausnummerierung in Wien und anderswo Tantner 2000, ders. 2007a, ders.
2007b.
11 Leyh 1961, 729.
12 Vgl. etwa die gleichlautende Terminologie der Staatsbibliothek zu Berlin, Stiftung Preußischer
Kulturbesitz.
13 Leyh 1961, 729.
14 Vgl. ebenda, 731, der mit unverhohlenem Zorn vor allzu eigensinnigen Signatur-Systemen warnt:
„Aber wo ist der bevorrechtete Magazinbenutzer, der sich die Mühe nimmt, diese seltsame
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Title
- Schöne Wissenschaften
- Subtitle
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Author
- Nora Fischer
- Editor
- Anna Mader-Kratky
- Publisher
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Size
- 20.9 x 29.3 cm
- Pages
- 306
- Category
- Kunst und Kultur